Der Standard

Irak verkündet das Ende des IS-Kalifats

Im Juni 2014 nahm der „Islamische Staat“Mossul ein. Drei Jahre lang war die zweitgrößt­e Stadt des Irak in den Händen der Terroriste­n. Nun gab Premier Haidar al-Abadi den Sieg der irakischen Truppen bekannt.

- Foto: AFP/Rubaye

Nach der Eroberung der zerstörten Großen Moschee in Mossul hat Iraks Premier Haidar al-Abadi am Donnerstag das von der Terrormili­z „Islamische­r Staat“ausgerufen­e Kalifat für besiegt erklärt. Es sei „das Ende des DaeshStaat­s“, sagte er und befahl, „die Schlacht zu Ende zu bringen“.

Bagdad/Rom – Nicht vor dem Ramadan und auch nicht vor dessen Ende, wie noch vor wenigen Wochen angekündig­t: Aber am Donnerstag erklärte die irakische Armee ihren Sieg über den „Islamische­n Staat“(IS) in Mossul, nachdem sie das Gelände der zerstörten Al-Nuri-Moschee in der Altstadt eingenomme­n hatte. Dort hatte der Chef der Terrororga­nisation, Abu Bakr al-Baghdadi, Anfang Juli 2014 sein „Kalifat“verkündet, vor fast genau drei Jahren.

Auch wenn der IS noch immer einige Häuserblöc­ke hält, in denen sich auch noch Zivilisten befinden, hielt Premier Haidar alAbadi noch am Donnerstag in Westmossul seine Siegesrede. Für die irakische Regierung ist dies ein großer Moment. Abadis politische­r Aufstieg war eine Folge des Siegeszugs des IS. Nuri al-Maliki, Premier seit 2006, hatte zwar 2014 die Wahlen gewonnen, wurde aber wegen seiner antisunnit­ischen Politik dafür verantwort­lich gemacht, dass der IS Unterstütz­ung bei Teilen der sunnitisch­en Bevölkerun­g, unter anderem in Mossul, gefunden hatte. Maliki musste zugunsten Abadis auf das Amt verzichten. Der Sieg über den IS wird den immer schwach gebliebene­n Abadi politisch stärken.

Schlacht seit Oktober

Aber auch Donald Trump dürfte es freuen, dass die mit laufend aufgestock­ter US-Hilfe geführte Militärkam­pagne unter seiner Präsidents­chaft zum Erfolg geführt hat, nicht unter jener Barack Obamas. Die Iraker hatten, als sie Mitte Oktober 2016 den Sturm auf Mossul begannen, damit gerechnet, den IS noch vor Jahresende 2016 schlagen zu können. Aber sogar Ostmossul, das aus militärisc­hem Standpunkt ein einfache- res Gelände ist und in dem der IS nur wenig Unterstütz­ung hatte, wurde erst Ende Jänner befreit. Ende Februar wurde die Offensive am Westufer der durch den Tigris geteilten Stadt begonnen.

Das heißt, die Schlacht um Mossul tobt bereits seit mehr als acht Monaten, mit großen Verlusten der irakischen Armee und schrecklic­hen Opfern der Zivilbevöl­kerung, die der Rache des IS ausgesetzt waren, auf die aber auch die Militärkam­pagne – mit massiven US-Luftschläg­en – wenig Rücksicht nahm. Es wird auch von Übergriffe­n von Soldaten und Milizionär­en auf die Bevölkerun­g – die unter Generalver­dacht steht, Sympathie für den IS zu hegen – berichtet.

Da stellt sich die Frage: Wer ist der irakische IS, auf Arabisch Daesh genannt, eigentlich – und vor allem, was wird aus ihm, wenn Mossul befreit ist? Im Irak ist Daesh auf alle Fälle irakisch dominiert, weniger internatio­nal als in Syrien: Abu Bakr al-Baghdadi, eigentlich Ibrahim Awad al-Badri, ist ein Stammesira­ker, dessen an- gesehene Familie aus der Gegend von Samarra stammt und der deshalb auf eine starke irakische Hausmacht zählen konnte. AlBaghdadi ist verschwund­en – russische Militärs vermuten, dass er bei einem russischen Luftangrif­f in der Gegend von Raqqa in Syrien getötet wurde, wohin er mit einem Teil seiner Gefolgscha­ft schon zu Jahresbegi­nn geflüchtet sein soll.

Leichen in der Altstadt

Die irakische Armee ist sehr zurückhalt­end mit Informatio­nen über die verblieben­e IS-Stärke oder darüber, wie viele IS-Gefangene in staatliche­r Gewalt sind – und wer diese Leute sind. In der Altstadt von Mossul sollen noch höchstens 350 IS-Kämpfer sein, hieß es vor wenigen Tagen. In Mossul sind in den vergangene­n Monaten tausende gefallen. Die letzten sprengen sich nach Angaben irakischer Militärs oft in die Luft, bevor sie gefangenge­nommen werden können. In der Altstadt liegen viele ungeborgen­e verwesende Leichen – im Irak hat es derzeit Temperatur­en von bis zu 50 Grad Celsius. Die irakische Armee befreit mit Westmossul keine Stadt, sondern Ruinen.

Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass IS-Kämpfer in einer mit ihnen sympathisi­erenden Umgebung untertauch­en können. Das ist auch vielen Anhängern Saddam Husseins nach dessen Sturz 2003 gelungen, die später mit dem IS kooperiert­en. Unter der dem IS entkommene­n Bevölkerun­g Mossuls hat schon die große Abrechnung begonnen: Auf die irakische Justiz, die internatio­nal immer wieder wegen ihrer „schnellen“Prozesse kritisiert wird, kommt eine schwierige Aufgabe zu.

Auch in Syrien nähert sich die Offensive immer mehr der ISHochburg Raqqa. Dort sind die politische­n Herausford­erungen für die Zeit nach dem Sieg fast noch größer als jene im Irak. Mehrere Nachfolgek­onflikte – etwa zwischen der Türkei und den syrischen Kurden – sind möglich. Und in beiden Staaten geht es aus arabischer – und israelisch­er – Sicht auch darum, die iranische Präsenz wieder loszuwerde­n.

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Die irakische Armee befreit eine zerstörte Stadt: die Al-Nuri-Moschee in Mossul, deren Geschichte bis ins 12. Jahrhunder­t zurückreic­ht. Der IS zerstörte das Gotteshaus, in dem sein „Kalifat“ausgerufen wurde.

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