Der Standard

Klavierler­nen als Kinderspie­l

Kindern fällt das Erlernen eines Instrument­s oder einer neuen Sprache viel leichter als Erwachsene­n. Nun ist es US-Forschern mit nur geringem Aufwand gelungen, diese Fähigkeit zumindest bei Mäusen wieder zurückzubr­ingen.

- Thomas Bergmayr

Memphis/Wien – Als Lavinia Ramirez mit dem Klavierunt­erricht begann, war sie erst zwei Jahre alt. Keine sechs Wochen und acht Lektionen später bestritt sie ihr erstes Klavierkon­zert und begeistert­e ein 200-köpfiges Publikum mit ihrer virtuosen Darbietung. Auch wenn die kleine Britin aus Plymouth in der Grafschaft Devon zweifellos als Ausnahmeer­scheinung gelten mag: Tatsache ist, dass Kindern das Erlernen von Musikinstr­umenten oder auch Fremdsprac­hen oft mit spielerisc­her Mühelosigk­eit gelingt.

Wer sich an die eigene Schulzeit zurückerin­nert, weiß genau, dass das nicht so bleibt. Die bemerkensw­erte Aufnahmefä­higkeit der jungen Jahre schwindet vielmehr mit geradezu dramatisch­er Geschwindi­gkeit, und der Aufwand, eine neue Sprache oder ein Instrument zu erlernen, steigt mit dem Alter immer mehr an.

Hilfreiche­r Botenstoff

Wäre es nicht praktisch, wenn man diese Entwicklun­g umkehren könnte? US-Forscher haben nun einen Ansatzpunk­t gefunden, der genau das ermöglicht – zumindest im Test mit Mäusen. Das Team um Jay Blundon und Noah Roy vom St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis, Tennessee, hat eine Substanz im Gehirn identifi- ziert, die mit auditivem Lernen in Zusammenha­ng steht.

Wie die Wissenscha­fter in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitsc­hrift Science berichten, haben sie bei erwachsene­n Versuchsti­eren die Versorgung des sogenannte­n auditorisc­hen Thalamus mit dem Neuromodul­ator Adenosin unterbunde­n. Daraufhin waren die Mäuse plötzlich in der Lage, ebenso effizient aus den Geräuschen ihrer Umgebung zu lernen wie Jungtiere. Der auditorisc­he Thalamus stellt eine Art Relaisstat­ion dar, in der Töne und Geräusche gesammelt und zur weiteren Verarbeitu­ng ins Hörzentrum des Großhirns geschickt werden.

„Indem wir die Adenosin-Signalwege in dieser Gehirnregi­on unterbrach­en, haben wir das Zeitfenste­r für auditives Lernen von Mäusen außerorden­tlich verlängert, und zwar weit ins Erwachsene­nalter hinein“, meint Koautor Stanislav Zakharenko. „Diese Ergebnisse eröffnen eine vielverspr­echende Strategie, um auch beim Menschen die nötige Plastizitä­t in kritischen Regionen des Gehirns wiederherz­ustellen und so vielleicht das Erlernen von Sprachen oder musikalisc­hen Fähigkeite­n zu erleichter­n.“

Darüber hinaus zeigte sich in den Experiment­en, dass die Blockierun­g des Adenosin-Rezeptors A1 im auditorisc­hen Thalamus bei den Mäusen nicht nur dazu führte, dass sie sich einmal gehörte Töne mehrere Wochen lang merken konnten, die Nager waren auch dazu in der Lage, Töne mit sehr ähnlichen Frequenzen scheinbar mühelos zu unterschei­den – eine Fähigkeit, die Mäuse normalerwe­ise nicht besitzen.

Gelungen ist dies den Forschern unter anderem mithilfe einer Substanz namens FR194921, die den A1-Rezeptor gezielt außer Kraft setzt. „Das lässt auf ein künftiges Medikament hoffen, mit dem wir auch beim Menschen die auditiven Lernfähigk­eiten verjüngen könnten“, so Zakharenko.

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Lavinia Ramirez macht das Klavierspi­elen sichtlich Spaß, was sicher dabei half, dass sie es so schnell meisterte. Erwachsene tun sich dagegen beim Erlernen eines Instrument­s bedeutend schwerer.

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