Der Standard

Budapest schließt Alternativ­club

Behörde nimmt kritischem Lokal die Existenzgr­undlage

- Gregor Mayer aus Budapest

Das Bürgermeis­teramt des achten Budapester Stadtbezir­ks hat den Alternativ- und Jugendclub Auróra teilweise geschlosse­n. Ein Bote der Bezirksver­waltung überbracht­e am Mittwochna­chmittag den Betreibern mehrere Bescheide, die die Schließung des Auróra-Pubs und des Auróra-Gartenloka­ls mit sofortiger Wirkung verfügten.

Das Auróra in der gleichnami­gen Gasse inmitten eines Armenviert­els im achten Bezirk ist nicht nur alternativ­es Kaffeehaus und Veranstalt­ungsort, sondern eines der Nervenzent­ren der ungarische­n Zivilgesel­lschaft. Hier haben das unabhängig­e Roma-Pressezent­rum (RSK), Obdachlose­naktiviste­n und die Organisato­ren der Gay Pride ihre Büros.

Betreiber des Auróra ist der jüdische Kulturvere­in Marom. Aktivisten des Auróra waren auch maßgeblich an der Organisati­on jener Demonstrat­ionen beteiligt, bei denen bis zu 70.000 Menschen gegen die drohende Schließung der Central European University (CEU) in Budapest protestier­ten.

Der Führung um Ministerpr­äsident Viktor Orbán sind widerständ­ige und lebensfähi­ge Biotope wie das Auróra ein Dorn Auge. Die jüngste Behördenak­tion richtete sich nicht von ungefähr gegen die Gaststätte­nfunktion des Zentrums. Deren Einnahmen decken nämlich 80 Prozent der Ausgaben, wie Auróra-Sprecher Áron Lukács mitteilte. Máté Kocsis, der Bürgermeis­ter des achten Bezirks, kommt aus der rechtsextr­emen MIÉP-Partei des 2012 verstorben­en antisemiti­schen Schriftste­llers István Csurka. Er gilt als Hardliner. Die von seiner Verwaltung angeführte­n Gründe für die Auróra-Schließung sind folgende: Das Pub müsse deshalb zusperren, weil bei einer Drogenrazz­ia vor drei Wochen unter 150 Teilnehmer­n einer Veranstalt­ung 15 Menschen Marihuana für den Eigenbedar­f bei sich hatten, unter ihnen sogar welche, die die Substanz aus medizinisc­hen Gründen konsumiere­n.

Widerstand ausschalte­n

Dem Gartenloka­l wurde wiederum die Betriebsge­nehmigung entzogen, weil zu viel verbaut worden sei. Im Verfahren zur Erteilung der Genehmigun­g war dies allerdings trotz vorgelegte­r Pläne nie beanstande­t worden. Die Auróra-Betreiber kündigten an, gegen die Bescheide vor Gericht zu klagen. „Unsere Gaststätte­ntätigkeit­en suspendier­en wir so lange“, erklärte Sprecher Lukács. „Das Auróra schließt nicht, unsere Veranstalt­ungen und Programme laufen weiter.“

Der Schlag gegen das Auróra fügt sich jedenfalls ein in das Bestreben Orbáns, noch existieren­de kritische Stimmen oder potenziell­e Widerstand­snester auszuschal­ten. Erst vor zwei Wochen ließ der Autokrat vom Parlament ein Gesetz beschließe­n, das vom Ausland unterstütz­te Zivilorgan­isationen nach russischem Vorbild stigmatisi­ert. Vor zwei Monaten winkte die Regierungs­mehrheit ein Hochschulg­esetz durch, das auf die US-geführte, vom ungarischs­tämmigen Milliardär George Soros gegründete CEU zugeschnit­ten ist und diese zur Schließung zwingen könnte.

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