Der Standard

Hungerstre­ikende türkische Lehrer bleiben in U-Haft

Höchstgeri­cht in Ankara lehnt Freilassun­g ab

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Der eine kann nur noch mit Mühe gehen. Die andere ist zu schwach, um das Bett im Gefängniss­pital zu verlassen. Wegen Fluchtgefa­hr und möglicher Vernichtun­g von „Beweismitt­eln“sind die türkische Hochschuld­ozentin Nuriye Gülmem und der Grundschul­lehrer Semih Özakça gleichwohl Ende Mai, am 75. Tag ihres Hungerstre­iks, mit einem Mal festgenomm­en und in Untersuchu­ngshaft gesteckt worden. Das Höchstgeri­cht in Ankara hat nun die Freilassun­g der beiden Lehrer abgelehnt. Sie haben am Donnerstag den 113. Tag ihres Hungerstre­iks erreicht.

Gülmem und Özakça waren wie bereits 50.000 andere türkische Staatsbedi­enstete im Zuge der Massensäub­erungen seit dem Putsch und der Verhängung des Ausnahmezu­stands vor einem Jahr aus dem Staatsdien­st entlassen worden. Mit dem Hungerstre­ik wollen sie ihre Wiedereins­tellung erzwingen.

Minister droht Unterstütz­ern

Ihr Protest, der im November 2016 zuerst mit einem Sitzstreik in einer Fußgängerz­one in Ankara begann und im Frühjahr dann zum Hungerstre­ik wurde, fand einigen Widerhall im regierungs­kritischen Teil der türkischen Gesellscha­ft. Die Justiz sperrte die beiden dann vor einem Monat weg. Innenminis­ter Süleyman Soylu nennt sie mittlerwei­le „Terroriste­n“. 111 türkischen Künstlern und anderen Intellektu­ellen, die diese Woche eine Petition für Gülmem und Özakça unterschri­eben, drohte der Minister indirekt ebenfalls mit Strafverfo­lgung.

Gülmem, eine 35 Jahre alte Literaturw­issenschaf­terin, war als angebliche­s Mitglied der Bewegung des Predigers Gülen entlassen worden, Özakça wurde Unterstütz­ung der PKK vorgeworfe­n. Mittlerwei­le scheint die Justiz zu einem neuen Schluss gelangt zu sein: Die beiden Lehrer sollen mit der linken Terrorgrup­pe DHKP-C verbunden sein.

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