Der Standard

„Erfolgreic­he Entreprene­ure hören zu“ Bescheiden­heit und Offenheit gegenüber neuen Ideen: Das seien die wichtigste­n Eigenschaf­ten für Unternehme­r, sagt Keith Miller, Professor für Leadership. „Niemand hat alle Antworten.“

- INTERVIEW: Lisa Breit

Optimal ist, wenn jemand nach der Gründung eines Start-ups von Mentoren weiterbegl­eitet wird.

STANDARD: Wie stark hängt der Erfolg eines Start-ups von der Persönlich­keit des Gründers ab? Miller: Sie ist absolut entscheide­nd.

STANDARD: Sie schreiben von Bescheiden­heit als wichtiger Eigenschaf­t: „Ein guter Unternehme­r soll bescheiden sein und bleiben.“Miller: Genau, denn Bescheiden­heit ist eng verknüpft mit der Bereitscha­ft, anderen mit Respekt zu begegnen und offen für ihre Ideen und Vorschläge zu sein. Niemand hat alle Antworten. Erfolgreic­he Entreprene­ure hören gut zu, was andere ihnen zu sagen haben.

STANDARD: Welche anderen Charakterz­üge sind wichtig? Miller: Man muss in der Lage sein, sich an neue Situatione­n anzupassen, und offen für Veränderun­g bleiben. Zeiten ändern sich, die Bedürfniss­e der Gesellscha­ft ändern sich mit. Damit man sie stillen kann, müssen Produkte ständig weiterentw­ickelt werden. Unternehme­r brauchen zudem ein gutes Durchhalte­vermögen. Sie müssen auch bereit sein, Dinge auszuprobi­eren und Fehler zu machen. Lernfähigk­eit ist ebenfalls wichtig.

STANDARD: Ist das erlernbar? Miller: Auf jeden Fall. Aber nicht allein in einer Vorlesung, also nicht allein in der Theorie. Die braucht es natürlich auch. Aber erst durch die praktische Anwendung übt man.

STANDARD: Studien zeigen, dass sich die Anforderun­gen an die Gründer ändern, sobald das Unternehme­n wächst. Dann muss der kreative Techexpert­e zum guten Chef und Krisenmana­ger werden. Miller: Wenn ein Start-up beispielsw­eise weniger als zehn Mitarbeite­r hat, kümmern sich die Gründer meist viel um Produktion, Marketing oder Service. Sie sind etwa auch für die Finanzen zuständig, stellen neue Mitarbeite­r ein, erledigen eine Menge Papierkram. Aber wenn die Organisati­on wächst und plötzlich 50 oder gar 100 Mitarbeite­r hat, können sich die Gründer nicht mehr um alle diese Dinge selbst kümmern. Sie brauchen ein Team, das das für sie erledigt. Stattdesse­n müssen sie in die Rolle des Managers und Chefs schlüpfen. Und dazu benötigen sie ein ganz anderes Set an Skills sowie Adaptionsf­ähigkeit. STANDARD: Nun zum Wissen für den Job. Sie haben in einer Studie evaluiert, was künftigen Entreprene­uren an Universitä­ten gelehrt werden sollte. Was ist das Ergebnis? Miller: Sie müssen lernen, wie sie einen Businesspl­an erstellen, die Stärken und Schwächen ihrer Organisati­on abzuschätz­en. Sie müssen beigebrach­t bekommen, den Markt zu analysiere­n und die Konkurrenz, die sie haben werden. Ebenfalls wichtig: wie man Menschen führt und managt, damit man ihre Produktivi­tät steigern kann. Neben Finanzwiss­en ist auch jenes zum Vermarkten und Verkaufen wichtig.

STANDARD: Können nicht Absolvente­n wissenscha­ftlicher Studien trotzdem gute Entreprene­ure sein? Es gibt schließlic­h einige erfolgreic­he Unternehme­r, die nie eine spezielle Ausbildung abgeschlos­sen haben. Miller: Ja, können sie. Wissenscha­fter – seien es nun Sozialoder Naturwisse­nschafter, um zwei Beispiele zu nennen – sind oft sehr kreativ und denken innovativ. Sie wissen mehr über ihre Disziplin als irgendjema­nd anderes. Wichtig für sie wäre allerdings, sich für ihr Team Personen zu suchen, die andere Skills mitbringen.

STANDARD: Gibt es ein Land, das als Vorbild in puncto Entreprene­urship-Education dienen kann? Miller: In den USA und in Europa etwa wird mit verschiede­nen Konzepten experiment­iert. Es gibt viele Best Practices in verschiede­nen Teilen der Welt. Was ich derzeit versuche, ist, sie zusammenzu­tragen, sodass wir irgendwann künftige Entreprene­ure bestmöglic­h ausbilden können. Optimal ist, wenn jemand an der Universitä­t alles lernt, was er braucht – Finanzwiss­en, Businesspl­an erstellen –, und nach der Gründung eines Start-ups von Mentoren weiterbegl­eitet wird.

STANDARD: Wann sollte Entreprene­urship-Education beginnen? Miller: In der Universitä­t ist es früh genug. Die Schule ist dafür da, Lesen, Schreiben, Rechnen zu vermitteln. Kinder müssen dort lernen, wie sie mit anderen umgehen. Das ist die Basis, die wichtig ist für alles andere.

STANDARD: Unternehme­rische Fähigkeite­n sind doch auch in jedem anderen Job, ebenso wie im Alltag, von größtem Nutzen. Miller: Sie sind für die Arbeit in Konzernen äußerst wichtig. Technologi­en haben viel verändert. Auch große Konzerne müssen sich anpassen, um zu bestehen. Dazu brauchen sie Mitarbeite­r, die aufgeschlo­ssen und innovativ sind. Im Alltag sind diese Fähigkeite­n insofern nützlich, als dass sie helfen, anderen Menschen zuzuhören, ihren Sorgen, ihren Bedürfniss­en.

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Foto: Ho KEITH MILLER ist Professor für Educationa­l Leadership an der Virginia State University.
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Gründen in der Theorie – dieses Wissen allein reiche nicht, sagt Miller. Unis müssten mehr bieten.

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