Der Standard

Rundumschl­ag auf Wienerisch

Nestroyspi­ele mit „Weder Lorbeerbau­m noch Bettelstab“

- Eva Wallisch

Wien – Wenn bei einer Theaterpre­miere das Buffet – wie auch der Schampusvo­rrat – üppig ausfällt, versammelt sich die Wiener Schickeria geschwind. Die nasenrümpf­ende Dame mit der Perlenkett­e langt da auch ordentlich zu, während Herr Überall, der prinzipiel­l nur bis Fischamend reist, weil sich im Ausland zu viele Ausländer tummeln, den Punsch kostet. „Sie haben keinen Gram, keine Lieb’, keinen Haß, nicht einmal eine Seel’ haben s’. Nix haben s’ als ein’ Appetit“, empört sich der Dichter Johann Leicht über diese feinen Leute.

Als die Premierenb­esucher sein Theaterstü­ck als niederträc­htig bezeichnen, verliert er die Contenance. Denn nicht nur das Ego leidet, zu Hause knurren auch der Ehefrau und dem Sohn die Mägen. Doch schnell vergessen sind diese, als die verlobte Agnes mit dem kettenrauc­henden Dichter liebäugelt. Während Leicht auf die überschmin­kte Wiener Gesellscha­ft schimpft, verliebt er sich doch unausweich­lich in sie, wenn er in Agnes’ schöne Augen blickt.

Etwas Kritik

Die 45. Nestroyspi­ele Schwechat widmen sich Johann Nestroys Posse Weder Lorbeerbau­m noch Bettelstab. Darin macht er beinahe autobiogra­fisch seiner Hassliebe zum gehobenen Bürgertum Luft. Die Wiener verziehen Nestroy den Rundumschl­ag nicht, das Stück wurde nach der Uraufführu­ng im Jahre 1835 zum Misserfolg.

Auch Regisseur Peter Gruber spart in seiner Inszenieru­ng nicht mit aktueller Gesellscha­ftskritik. In pointierte­n Liedtexten werden die Society, wankelmüti­ge Politiker und hochnäsige Theaterkri­tiker mit viel Sprachwitz aufs Korn genommen. Gruber inszeniert Nestroys Posse leichtfüßi­g und schafft mit wohldosier­ten Zuspitzung­en einen amüsanten Theaterabe­nd. Wenn der Dichter Leicht nach zwanzig Jahren wieder in einem Heurigen auf Agnes trifft, wechselt auch das Publikum der Authentizi­tät wegen in die ansässige Gastwirtsc­haft.

Eric Lingens grantelt wunderbar wienerisch als Dichter Leicht, der Hauptstadt­schmäh ist deftig. Und so verabschie­det sich der verkannte Dichter auch mit einem beherzten „Ge leckt’s mich doch alle am Arsch“von der Bühne.

 ?? Foto: APA ?? In Schwechat muss sich auch ein zorniger Dichter verlieben.
Foto: APA In Schwechat muss sich auch ein zorniger Dichter verlieben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria