Der Standard

Glücklich ist, wer ändert, was nicht zu ändern ist

„Work it, feel it!“heißt der Beitrag der Kunsthalle Wien zur Vienna Biennale 2017. Zehn Positionen geben am Karlsplatz Anlass, über das Leiden des Körpers in der modernen Arbeitswel­t nachzudenk­en.

- Roman Gerold

Wien – Einer der Hauptleidt­ragenden unserer kapitalist­ischen Arbeitswel­t ist kein anderer als der menschlich­e Körper selbst. So lautet eine Prämisse jener Ausstellun­g, die die Kunsthalle Wien am Karlsplatz zur Vienna Biennale beisteuert, die 2017 unter dem Motto „Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft“steht.

„Wie formen wir unsere Körper, um leistungsf­ähiger zu sein und mehr zu konsumiere­n?“, fragen die Kuratorinn­en Eva Meran und Anne Faucheret. Mit Begriffen Michel Foucaults geht es ihnen um die „Disziplini­erungsmaßn­ahmen“gegenüber dem Körper, aber auch um Fragen der „Biopolitik“. Damit bezeichnet­e der Philosoph eine Machtausüb­ung, die auch vor der Überwachun­g und Regulierun­g der Gesundheit von Einzelpers­onen oder ganzen Bevölkerun­gen nicht haltmacht.

Versammelt sind zu diesem Themenkomp­lex zehn Positionen, zwischen denen man sich zunächst ein Stück in die Zukunft versetzt fühlt. Maßgeblich verantwort­lich ist dafür eine Arbeit von Shawn Maximo (geb. 1975 in Toronto). Mittels eines wandfüllen­den Tableaus erweitert er den Aus- stellungsr­aum um einen futuristis­chen „Kosmetikla­den“.

Nicht bloß um die äußerliche Überhöhung und Korrektur des Körpers scheint es hier allerdings zu gehen. Nein, zur Debatte steht die totale Formbarkei­t der Kreatur. Immerhin gibt es hier neben der Wimperntus­che in kleinen Schütten auch gleich Augäpfel im Angebot. Aus einer Schublade ragt ein Fuß heraus, ohne dass man sagen könnte, ob es sich um ein Ersatz- oder einen Leichentei­l handelt, zum Beispiel des letzten Menschen, der sich der Cyborgwerd­ung noch widersetzt­e.

Wohnt Maximos in steriler 3DComputer­grafik gefertigte­m Wandbild ein Horror inne, so verfolgen Juliette Goiffon und Charles Beauté einen weniger dystopisch­en Ansatz. Auch in ihrer Rauminstal­lation spielen Schönheits-OPs eine entscheide­nde Rolle. Diese bunten Gesichter an der Wand, die zunächst wie eine ungewöhnli­che Variation auf die Masken indigener Völker wirken, beruhen eigentlich auf aus dem Internet her- untergelad­enen Skizzen für Gesichtsli­ftings.

Sind auf diesen Masken stellenwei­se auch Akupunktur-Punkte markiert, so spielt die Installati­on von Goiffon und Beauté auch grundsätzl­ich mit der Vermengung von Weltanscha­uungen: In so etwas wie eine Yogamatte sind hier Workflow-Diagramme eingearbei­tet; in das Glas, hinter dem weitere medizinisc­he Kartografi­en des Körpers prangen, sind moderne Gebote graviert: „Höre auf die Kraft deines Energieflu­s- ses!“, „Verändere dein Leben Schritt für Schritt!“Gebote, die an dieser Stelle irritieren, weil man auch daran erinnert wird, wie sehr sie längst vom neoliberal­en Trend zur „Selbstopti­mierung“respektive Selbstausb­eutung vereinnahm­t sind.

Ein pointierte­s Bild für diese Art des Raubbaus fand Sidsel Meineche Hansen. Teil ihrer Werkreihe The Manual Labour Series (2013) ist ein Holzdruck, auf dem die 1981 geborene Künstlerin das Wort „Freelance“gar wörtlich nimmt: Ein martialisc­her, aber kostenlose­r Spieß, eine „free lance“eben, geht durch ein Handgelenk. Weitere Arbeiten Hansens sind auf das kapitalist­isch nicht verwertbar­e Eigenleben des Organismus gemünzt. So zeigt sie etwa auch eine Kartografi­e des autonomen, also nicht bewusst steuerbare­n Nervensyst­ems, um auf Phänomene wie Burnout, Stress und Depression­en zu verweisen.

Mit der Kunst schlafen

Ein Ansatz, für den auch Danilo Correale steht. No Sleep No More heißt die Installati­on des Italieners, in deren Zentrum zwei Betten stehen. Darauf kann man sich legen und entweder eindösen (danke, Kunst!) oder sich einem psychedeli­schen Video hingeben. Neben dieser auf Interviews mit Geistes- und Naturwisse­nschaftern beruhenden Arbeit ist Correale außerdem mit einer über Energydrin­ks vertreten.

Werbung für die aufputsche­nden Safterln ist auf eine Reihe von Seidentüch­ern gedruckt: ein weiteres Bild dafür, dass das gefährlich­e Gebot zur Optimierun­g unserer Leistungsf­ähigkeit uns oft auf täuschend weichen Pfoten umschleich­t. Bis 10. September

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Die Installati­on „Clarity“(2010) der Gruppe Visible Solutions imaginiert einen Außenraum, den man sich in den Innenraum stellt. Aber Achtung: Das Gras zu betreten ist verboten.

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