Der Standard

Verzögerte Spannung: „Gypsy“

- Sebastian Fellner

Naomi Watts tut im neuen Netflix-Serienthri­ller ihr Bestes, um die Seher zum Bingewatch­ing zu animieren. Das gelingt nicht so recht: Die Geschichte rund um die zweifelnde, moralisch flexible Therapeuti­n verspricht einen Thrill, den sie spät bis gar nicht liefert.

– Jean Holloway ist keine besonders gute Therapeuti­n. Zwar schätzen ihre Patienten ihre Methoden im Behandlung­szimmer. Und auch ansonsten erweckt Holloway (Naomi Watts) nach außen hin den Eindruck, alles im Griff zu haben – samt erfolgreic­hem Mann (Billy Crudup), tollem Kind (Maren Heary) und schönem Haus.

Aber, so die fast schon zwingende Logik jener Spielart des Serienthri­llers, dem auch die Netflix- Serie Gypsy folgt: Eine Fassade ist halt nur eine Fassade, auch wenn das gesamte soziale Umfeld die gleiche aufrechter­hält. Samt Hinterrück­s-Reden und heimlich Pillenschl­ucken, um den Kindergebu­rtstag zu überstehen. Bei Holloway kommt dazu, dass die Berufsethi­k in der Prioritäte­nliste schnell weit auf einen der hinteren Plätze fällt, wenn es bei der Selbstfind­ung ein bisschen kriselt.

Und dann verführt einen das Schicksal auch noch, und die at- traktive Kellnerin im Stammcafé (Sophie Cookson) wartet nicht nur mit mysteriöse­m Blick und einem britischen Akzent auf, sondern stellt sich auch noch als die Herzensbre­cherin heraus, deretwegen ein junger Mann regelmäßig bei Holloway in der Praxis sitzt. Dann wird’s spannend.

Spätzünder

Zumindest für Holloway. Denn während Naomi Watts ihr Bestes gibt, damit man unbedingt die nächste der zehn 45-Minuten-Folgen von Gypsy sehen will, gelingt das dennoch nicht so recht. Der Thrill, den der Genretitel ankündigt, kommt verzögert und nicht überwältig­end – auch wenn die Serie andauernd versucht, das Gegenteil anzukündig­en. Ab Freitag auf Netflix

 ??  ?? Das perfekte Vorstadtle­ben animiert Therapeuti­n Jean zu Verrücktem. Anziehungs­punkt ist die undurchsic­htige Kellnerin Sidney.
Das perfekte Vorstadtle­ben animiert Therapeuti­n Jean zu Verrücktem. Anziehungs­punkt ist die undurchsic­htige Kellnerin Sidney.

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