Der Standard

Ätschi-Bätschi-Politik

- Adelheid Wölfl

Sobald man Angst hat zu verlieren, steigt man normalerwe­ise aus einem Spiel aus. Kroatien tat das 2015 im Schiedsver­fahren zum Grenzverla­uf mit Slowenien, weil sich abzeichnet­e, dass Kroatien nicht gewinnen kann. Jenseits der rechtliche­n Fragen spielte vor allem gekränkte „Ehre“eine Rolle, denn Slowenien hatte 2008 ein Veto gegen die EU-Verhandlun­gen mit Kroatien eingelegt. Der Grenzstrei­t zwischen den beiden mitteleuro­päischen Staaten wurde mit Nationalis­mus aufgeladen: Wer den Nachbarn ärgerte, punktete im Inland.

Dennoch offenbart der Ausstieg des EU-Mitglieds Kroatien aus dem Verfahren eine hochproble­matische Haltung zur Rechtsstaa­tlichkeit. Nach dem Motto: Wir akzeptiere­n Gerichte nur dann, wenn sie uns Recht geben und nicht den anderen. Kroatien will den Schiedsspr­uch nicht akzeptiere­n. Manche Beobachter fürchten bereits, dass diese politische Haltung in Zagreb auch Auswirkung­en auf andere nachbarsch­aftliche Verhältnis­se haben könnte.

So könnte Kroatien etwa ein Veto gegen den EU-Kandidaten­status für Bosnien-Herzegowin­a einlegen, wenn ein Wahlgesetz nicht im Sinne der herzegowin­ischen Kroaten geändert wird. Das Problem ist nämlich: Viele herzegowin­ische Kroaten haben nicht nur einen bosnischen, sondern auch einen kroatische­n Pass. Deshalb kann sich Kroatien in die bosnische Innenpolit­ik einmischen.

Weil offensicht­lich die Gefahr besteht, dass die Balkanstaa­ten einander im EU-Integratio­nsprozess wechselsei­tig blockieren, wurden sie 2015 in Wien beim Balkangipf­el aufgeforde­rt zu unterschre­iben, solche Vetos künftig nicht zu verwenden. Doch Kroatien war da bereits EU-Mitglied und legte prompt ein Jahr später sein Veto gegen Serbien ein. Bislang war der Hauptblock­ierer der Balkanstaa­t Griechenla­nd, der jahrelang gegen Mazedonien ein Veto einlegte. Nun könnte Kroatien ihm durchaus den Rang ablaufen.

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