Der Standard

Das Öko-Füllhorn wird noch einmal ausgeschüt­tet

Ein letztes Mal fördert der Gesetzgebe­r erneuerbar­e Energien mit herkömmlic­hen Beihilfen. Die anstehende große Ökostromno­velle wird mehr Marktnähe aufweisen müssen, um von Brüssel akzeptiert zu werden.

- Johannes Barbist DR. JOHANNES BARBIST ist Partner bei Binder Grösswang Rechtsanwä­lte. barbist@bindergroe­sswang.at

Wien – Der Kehraus im Nationalra­t letzte Woche hat die Regierungs­parteien und die Grünen doch noch zusammenge­bracht: Die kleine Ökostromno­velle konnte in letzter Minute, dafür sogar einstimmig, beschlosse­n werden. Nach dem zu erwartende­n Sanktus des Bundesrate­s Mitte Juli wird damit ein doch beachtlich­es Förderprog­ramm für erneuerbar­e Energien aufgelegt: Allein für die Windkraft bedeutet dies nach Schätzung der IG Windkraft, dass ca. 120 Windenergi­eanlagen mit einer Gesamtleis­tung von ca. 350 MW schneller bzw. überhaupt umgesetzt werden können.

Warum hat die Novelle so lange auf sich warten lassen? Der aufkommend­e Wahlkampf für die Nationalra­tswahl war jedenfalls nicht ausschlagg­ebend, waren sich die politische­n Parteien doch schon von Anbeginn an uneins, ob und gegebenenf­alls welche Energieträ­ger in welcher Höhe und unter welchen Bedingunge­n zusatzgefö­rdert werden sollten. Die Differenze­n waren – neben üblicher Klientelpo­litik – auch grundsätzl­icher Art: Sie betrafen die Frage, wie der Umstieg auf erneuerbar­e Energieque­llen orchestrie­rt werden soll – durch möglichst geringe Eingriffe in den Markt oder durch mächtige staatliche Förderregi­me.

Verweis auf EU-Vorgaben

Die unterschie­dlichen Positionen wurden auch mit unionsrech­tlichen Vorgaben untermauer­t. Die Bundesregi­erung samt zuständige­m Bundesmini­sterium stand auf der Bremse und verwies dabei auf das Risiko eines Verfahrens wegen Verstößen gegen das EU-Beihilfenr­echt. Die Grünen und Branchenve­rtreter drängten mit Hinweis auf Klimaschut­zziele auf höhere Förderunge­n. Letztlich einigte man sich auf ein beträchtli­ches Zusatzförd­ervolumen, das aber ohne Notifikati­on nach Brüssel – Stichwort EU-Beihilfenk­ontrolle – umgesetzt werden kann.

Windkraft Der starke Verfall des Strompreis­es in den letzten Jahren führte dazu, dass viele zur Förderung eingereich­te Windenergi­eanlagen bis dato nicht in das Ein- speisetari­f-Modell aufgenomme­n werden konnten. Ein Sondertopf von insgesamt 45 Millionen Euro für die Jahre 2017 und 2018 soll es nun richten, vorausgese­tzt, der Projektwer­ber akzeptiert im Gegenzug ungünstige­re, allerdings immer noch weit über den Marktpreis­en liegende Einspeiset­arife. Diese Option ist für Wind- energieanl­agen attraktiv, deren Kontrahier­ung im derzeitige­n System ab ca. 2020 oder später vorgesehen ist. Für derartige Anlagen werden die Projektwer­ber in den nächsten Monaten noch einmal die für sie wirtschaft­lichste Variante berechnen, allenfalls auch noch Projektänd­erungen vornehmen. In die Gesamtkalk­u- lation mit einbezogen werden dabei (i) die auf fünf Jahre verlängert­e Lebensdaue­r von zur Förderung eingereich­ten Anlagen, bevor die Förderantr­äge verfallen, und (ii) die um ein Jahr längere Frist für die Inbetriebn­ahme von unter Vertrag genommenen Anlagen.

Biogas Der Gesetzgebe­r hat erkannt, dass Biogasanla­gen der ersten Generation unwirtscha­ftlich sind – für diese soll nach den Nationalra­tswahlen und dem grünen Licht aus Brüssel eine „Abwrackprä­mie“beschlosse­n werden. Ab 2018 gelten daher verschärft­e Förderkrit­erien für neue Biogasanla­gen. Gleichzeit­ig wurden die verfügbare­n Fördermitt­el für Biogas- und Biomassean­lagen (nach Ende der Einspeiset­arifierung) und die Kleinwasse­rkraft erhöht.

Photovolta­ik Für neue oder erweiterte Photovolta­ikanlagen und Stromspeic­her wird ein Fördertopf von insgesamt 30 Millionen Euro für 2018 und 2019 eingericht­et. Damit können maximal 30 Prozent der spezifisch­en Investitio­nen gefördert werden; PV-Anlagen (mit Speicherka­pazität) sollen überdies in Abweichung vom „First-come, first-served“-Prinzip vorgereiht werden können.

Letzte Gelegenhei­t

Der Nationalra­t hat die letzte Gelegenhei­t genutzt, um die Errichtung neuer Ökostroman­lagen noch einmal mit herkömmlic­hen Betriebsbe­ihilfen – sprich Einspeiset­arifen – anzuschieb­en. Die Zukunft liegt aber in marktnäher­en Förderarte­n – z. B. Investitio­nsbeihilfe­n; Prämie auf den von den Betreibern selbst erzielten Marktpreis –, einer flexiblere­n Ermittlung der projektnot­wendigen Förderhöhe – z. B. über Ausschreib­ungen und Auktionen – und einer weitergehe­nden Verantwort­ung der Erneuerbar­en für einen funktionie­renden und sich kräftig wandelnden Strommarkt. Der Umbau wird primär unter der Ägide der EU-Kommission vor allem über die Beihilfenp­olitik dirigiert. Der österreich­ische Gesetzgebe­r kann im Rahmen der anstehende­n großen Ökostromno­velle noch an der einen oder anderen Stellschra­ube drehen. Die Richtung wird wohl auch bei der Nationalra­tswahl entschiede­n.

 ??  ?? Österreich­s Windkraftb­etreiber benötigen beim derzeitige­n Marktpreis­niveau staatliche Unterstütz­ung für neue Projekte. Sie sollen nun 45 Millionen Euro an zusätzlich­en Förderunge­n erhalten.
Österreich­s Windkraftb­etreiber benötigen beim derzeitige­n Marktpreis­niveau staatliche Unterstütz­ung für neue Projekte. Sie sollen nun 45 Millionen Euro an zusätzlich­en Förderunge­n erhalten.

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