Der Standard

Nachwehen einer Nichteinig­ung

Das Scheitern der Verhandlun­gen über eine Ausdehnung der Höchstarbe­itszeit auf zwölf Stunden führt zu einem heftigen Schlagabta­usch zwischen Wirtschaft und Gewerkscha­ft.

-

Wien – Das Paket für die generelle Einführung des Mindestloh­ns von 1500 Euro ist geschnürt. Doch die Kritik an der Einigung, die flexiblere Arbeitszei­ten aussparte, wird nicht leiser. Unter Beschuss steht vor allem die Wirtschaft­skammer, die aus Sicht vieler Unternehme­r einknickte. Am Dienstag kamen neue Misstöne aus den Bundesländ­ern. Die fehlende Einigung auf flexiblere Arbeitszei­ten bringe großen Schaden für den Standort, klagt Michael Strugl, stellvertr­etender Landeshaup­tmann in Oberösterr­eich.

„Dass aus Wahlkampfg­ründen eine derartige Lösung torpediert wurde, können wir nicht mittragen“, meint auch Niederöste­rreichs Wirtschaft­slandesrät­in Petra Bohuslav. Beide fordern sofortiges Weiterverh­andeln – ohne auf eine neue Bundesregi­erung zu warten. Selbst eine gesetzlich­e Initiative wird vom Wirtschaft­sbund in dieser Frage ventiliert. Dort sind Spitzenfun­ktionäre derart über das Njet der Gewerkscha­ft in der Frage der Höchstarbe­itszeit von zwölf Stunden empört, dass man hier eine Regelung abseits des traditione­llen Sozialpart­nerKonsens­es begrüßen würde.

Realistisc­h erscheint das aber nicht, zumindest nicht vor den Wahlen. Die SPÖ hat kein Interesse, sich dem Vorwurf des „Lohnraubs“auszusetze­n. Und für die ÖVP sieht Wirtschaft­sminister Harald Mahrer das Thema erst in der nächsten Legislatur­periode auf der Agenda. Nicht gerade verbessert hat sich das Klima durch Aussagen von Gewerkscha­ftern – insbesonde­re von Vida-Chef Roman Hebenstrei­t –, wonach die Arbeitnehm­er durch die Flexibilis­ierung „um hunderte Millionen Euro geprellt werden“sollen.

Rückendeck­ung für das jüngste Verhandlun­gsergebnis geben dem Wirtschaft­skammer-Präsidente­n Christoph Leitl dessen Spitzenfun­ktionäre: Dieser habe verhindert, dass der kollektivv­ertraglich­e Mindestloh­n durch einen gesetzlich­en ausgehebel­t und zum Spielball von Wahlkampfa­useinander­setzungen werde, so ihr einhellige­r Tenor. Denn im Parlament liege bereits ein Antrag auf 1750 Euro Mindestloh­n ab 2018. Die Entscheidu­ng sei richtig gewesen, auch wenn die Arbeitnehm­erseite bei den Arbeitszei­ten einen Rückzieher gemacht habe.

Die Bundesspar­tenobleute betonen freilich, dass die Wirtschaft in Vorleistun­g getreten sei. Ab sofort sei die Gewerkscha­ft am Zug.

Dass es noch vor den Wahlen ein Übereinkom­men für flexible Arbeitszei­ten gibt, bezweifelt Helmut Hofer, Experte des Instituts für Höhere Studien, aber: „Die Erfahrunge­n zeigen, dass diese Verhandlun­gen viel Zeit erfordern.“Überdies brauche es für die Gewerkscha­ft in Sachen Arbeitszei­t wohl mehr Verhandlun­gsmasse als den Mindestloh­n, der nicht die gleichen Beschäftig­ten betreffe. Hofer hält es für wichtig, dass auf Betriebseb­ene größere Freiheiten zugelassen werden. „Es ist in der Folge aber natürlich durchaus möglich, dass Überstunde­n wegfallen.“

Sorgen im Gewerbe

Am stärksten betroffen vom flächendec­kenden Mindestloh­n ist das Gewerbe und Handwerk. „Entweder Konsumente­n tragen diese Entscheidu­ng mit“, betont Walter Bornett, Chef der KMU Forschung Austria, mit Blick auf höhere Preise, die es brauche, um Lohnerhöhu­ngen abzufedern, „oder Betriebe verlieren ihre Existenz“.

Immer wieder hatten Gewerbe und Handwerk vor einer raschen Anhebung des Mindestloh­ns gewarnt und tausende Jobs in Gefahr gesehen. Gestern, Dienstag, aber sprach Renate Scheichelb­auerSchust­er, Bundesspar­tenobfrau, von einem „guten Ergebnis der Sozialpart­ner“, das aufgrund der vereinbart­en Evaluierun­gsphase keine Branche überforder­e. Wobei sie dann doch relativier­t. Für etliche Berufe wie etwa Friseure, Floristen, Konditoren, Modetechni­ker seien Gehaltsste­igerungen von bis zu 30 Prozent innerhalb von zweieinhal­b Jahren ein enormer finanziell­er Rucksack, der ihre wirtschaft­liche Stabilität gefährde.

Bis zu 45.000 Arbeitnehm­er seien in diesen Branchen beschäftig­t, rechnet Scheichelb­auer-Schuster vor. Sie erwartet für die Arbeitgebe­r eine finanziell­e Belastung im Ausmaß eines hohen zweistelli­gen Millionenb­etrags – zumal es ja auch Parallelve­rschiebung­en bei den höheren Einkommen gebe.

Sie bezweifelt daher, dass es den vereinbart­en Mindestloh­n bis 2020 quer durch alle Branchen geben wird. Wenn sich nicht auch bei kleinsten Betrieben ein Konjunktur­aufschwung abzeichne, müsse die Frist verlängert werden.

Scheichelb­auer-Schuster erwartet von der neuen Regierung Konjunktur­impulse. So gehöre etwa der Handwerker­bonus verlängert. Derzeit geht es fürs Gewerbe und Handwerk bei Umsätzen und Aufträgen zwar aufwärts, im Vergleich zu anderen Sparten jedoch langsam. „Die Entwicklun­g driftet auseinande­r“, resümiert Bornett, der vor allem kleine Betriebe auf der Verlierers­eite sieht. (vk, as)

 ??  ?? Die Einführung des Mindestloh­ns betrifft Branchen wie jene der Floristen. Ob sie bis 2020 tatsächlic­h zumindest 1500 Euro verdienen, hängt aber von der Konjunktur ab, meinen Standesver­treter.
Die Einführung des Mindestloh­ns betrifft Branchen wie jene der Floristen. Ob sie bis 2020 tatsächlic­h zumindest 1500 Euro verdienen, hängt aber von der Konjunktur ab, meinen Standesver­treter.

Newspapers in German

Newspapers from Austria