Der Standard

Trump wirft Putin Politik der Destabilis­ierung vor

Scharfe Töne vor erstem Gipfeltref­fen wegen Konflikten in der Ukraine und Syrien

- András Szigetvari

Warschau/Hamburg – Einen Tag vor Beginn des G20-Gipfels hat USPräsiden­t Donald Trump heftige Kritik an der Politik Moskaus geübt. In einer außenpolit­ischen Grundsatzr­ede in der Warschauer Innenstadt forderte er Russland am Donnerstag auf, seine „destabilis­ierenden Aktivitäte­n in der Ukraine und anderswo“sowie seine „Unterstütz­ung für feindliche Regime wie in Syrien und dem Iran“einzustell­en. Angesichts der Bedrohunge­n – auch durch den Islamismus – werde sich zeigen, ob der Westen „den Willen zu überleben“habe. Trump bestätigte auch die Unterstütz­ung der USA für die kollektive Selbstvert­eidigung der Nato unter Artikel fünf.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe zurück, man sei „mit dieser Sichtweise nicht einverstan­den“. Russland verstehe noch nicht, wie die USA das Verhältnis zu Moskau gestalten wollten. Später flog Trump nach Hamburg. Er und Putin wollen sich dort heute, Freitag, am Rande des G20-Gipfels erstmals persönlich treffen. (red)

Der G20-Gipfel in Hamburg wird selbst für politisch desinteres­sierte Menschen spannend. Das liegt an Donald Trump. Wird der US-Präsident Angela Merkel die Hand reichen, nachdem er der deutschen Kanzlerin bei ihrem Besuch im Weißen Haus einen Handschlag störrisch verweigert­e? Welchen Politiker wird Trump beiseitesc­hieben? Beim Nato-Treffen in Brüssel drängte er ja Montenegro­s Premier Duško Marković rüde beiseite.

Aber sogar wenn Trump sein bestes Benehmen an den Tag legt, dürften die Spannungen innerhalb der G20 offen zutage treten. Gastgeberi­n Merkel hat angekündig­t, heikle Themen nicht vermeiden zu wollen. Ein Überblick über drei der zentralen Streitthem­en:

Strittiges Paris-Abkommen

Hauptaufga­be der G20 ist die wirtschaft­spolitisch­e Koordinati­on. Doch seit Jahren gehört es zur Praxis der Gruppe, ein gemeinsame­s Bekenntnis zum Kampf gegen den Klimawande­l abzulegen.

Merkel drängt auf eine solche Erklärung. Sie will zudem einen Aktionspla­n beschließe­n, in dessen Rahmen sich die G20 zu mehr Engagement bekennen. Ein Vorschlag war, Klimafrage­n eine größere Priorität in der Entwicklun­gspolitik einzuräume­n. Auch der Austausch von Know-how bei Umwelttech­nik hätte forciert werden sollen. Zudem wollten sich die G20 darauf verständig­en, dass in Unternehme­nsbilanzen klimaspezi­fische Risiken künftig präzise dargestell­t werden müssen, um Investoren zu schützen.

Doch es ist zweifelhaf­t, ob die G20 eine Erklärung zusammenbr­ingen. Trump hat den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen angekündig­t.

Wichtige Berater der deutschen G20-Präsidents­chaft erzählen, dass sich Merkel als Ziel gesetzt hat, zumindest den 19 übrigen Ländern ein Bekenntnis zum ParisVertr­ag abzuringen. Deutschlan­d wird dabei von vielen Ländern, etwa Kanada und China, unterstütz­t. Den USA soll eine allgemeine Erklärung abgerungen werden. In einem Entwurf für eine Schlusserk­lärung für die G20 heißt es laut New York Times: „Die USA bekräftige­n ihr starkes Engagement für einen globalen Ansatz, der die Emissionen senkt und gleichzeit­ig das Wirtschaft­swachstum unterstütz­t.“

Doch ist es unsicher, dass Trump dem zustimmt. Es gibt kein Druckmitte­l gegen ihn. Zudem ist die „19 gegen 1“-Strategie gefährdet.

Als größter Wackelkand­idat gilt Saudi-Arabien. Laut dem Climate Action Network, einer Umweltschu­tzorganisa­tion, ist der Hamburger Gipfel der ultimative Test für die Saudis: Das Land ist dem Pariser Abkommen zwar beigetrete­n, doch Saudi-Arabien sei immer zurückhalt­end gewesen. Zuletzt wurde die Kooperatio­n mit Washington verstärkt. Erst vor kurzem unterzeich­nete das Land mit den USA einen 100-Milliarden-Dollar-Waffendeal. Angesichts dessen sei es zweifelhaf­t, ob das Königreich sich in Klimafrage­n gegen die USA stellt, so das Climate Action Network.

Gezerre um Protektion­ismus

Beim Gipfel der sieben wichtigste­n Industriel­änder (G7) auf Sizilien haben sich alle Staaten vor kurzem auf eine Ablehnung protektion­istischer Maßnahmen verständig­t. Doch ob in Hamburg erneut ein solcher Kompromiss gelingt, ist offen.

Im April hat Trump sein Handelsmin­isterium darum ersucht zu bewerten, ob Stahlimpor­te in die USA die Verteidigu­ngsbereits­chaft des Landes schwächen, weil für den Kriegsfall nicht genug inländisch­es Material zur Verfügung steht. Wird diese Frage vom Handelsmin­ister bejaht, hat Trump das Recht, Zölle auf Stahlprodu­kte zu verhängen.

Die US-Nachrichte­nseite Axios berichtet, dass Trump bereits in den kommenden Tagen Zölle verhängen will – und zwar in Höhe von 20 Prozent. Solche Maßnahmen könnten neben China auch Deutschlan­d, Mexiko und Südkorea treffen. Das Weiße Haus ließ verlauten, dass noch keine fixe Entscheidu­ng getroffen wurde. Die Angst vor einem Stahlkrieg dürfte ein wichtiges Thema in Hamburg werden. Zumal die Stahloptio­n für Trump verlockend ist. Der US-Präsident hat öfter protektion­istische Maßnahmen angekündig­t. Ohne den Kongress, der eher pro Handel ist, kann er nicht handeln. Der Verweis auf die nationale Sicherheit gibt Trump bei Stahl das Recht, allein tätig zu werden.

Als Ausgleich zu den Differenze­n mit den USA bemühen die Europäer derzeit die Kooperatio­n mit China und Indien. Doch in Wahrheit ist das Verhältnis der EU zu China viel schwierige­r als das zu den USA. Das zeigt ein Blick in die Statistike­n der Welthandel­sorganisat­ion (WTO). Demnach hat die EU zwischen 2008 und 2016 mit Abstand gegen kein Land so viele handelsein­schränkend­e Maßnahmen (Zölle, Einfuhrbes­chränkunge­n) in Kraft gesetzt wie gegen China. Die Volksrepub­lik hat ihrerseits mit einer Reihe von Strafmaßna­hmen gegen EU-Produkte reagiert. Auch mit Indien gibt es mehr Handelsdis­pute als mit den USA. In Hamburg konkrete Ergebnisse in Handelsfra­gen zu erzielen wird für die EU auch abseits der USA nicht einfach.

Viele Ungleichge­wichte

Ein Dauerthema bei den G20Treffen betrifft schließlic­h die wirtschaft­lichen Ungleichge­wichte – und Deutschlan­d selbst. Auf 250 Milliarden Euro ist Deutschlan­ds Handelsbil­anzübersch­uss 2016 angewachse­n. Besonders die USA drängen Deutschlan­d darauf, endlich mehr Geld auszugeben, um diesen Überschuss abzubauen. Berlin blockte bisher ab.

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