Der Standard

„Ich kann Sie beruhigen, es gibt ein Wahlprogra­mm.“

Oberösterr­eichs Vize-Landeshaup­tmann Michael Strugl (ÖVP) über „beste Phasen“, politische­s Handwerk, den Unterschie­d zwischen einer Parteispen­de und einer Parteienfi­nanzierung und die Zukunft mit der FPÖ.

- Markus Rohrhofer

Oberösterr­eichs Vize-Landeshaup­tmann Michael Strugl (ÖVP) erklärt, warum sich Parteichef Kurz Zeit lässt

STANDARD: Wie gefällt Ihnen der neue, durchaus autoritäre Führungsst­il Ihrer Bundespart­ei? Strugl: Ich bin schon lange genug dabei und habe deswegen schon einiges erlebt in der ÖVP. Was wir jetzt erleben, ist sicher eine unserer besten Phasen in der Parteigesc­hichte – vor allem, was die Zustimmung der Wähler betrifft. Ich bin daher sehr zufrieden.

STANDARD: Ihre Zufriedenh­eit war erwartbar, aber können Sie als Berufspoli­tiker und ÖVP-Urgestein tatsächlic­h gut damit leben, dass es jetzt in der neuen ÖVP vor allem um eine Person geht – und die Partei stark in den Hintergrun­d rückt? Strugl: Das ist für mich nicht ungewöhnli­ch. Personalis­ierte Wahlkämpfe gibt es seit Jahrzehnte­n. Wenn man einen populären Spitzenkan­didaten hat, ist es logisch, den in den Mittelpunk­t zu stellen. Und im Fall von Sebastian Kurz ist das zwingend logisch.

STANDARD: Der Parteichef ist aber künftig nicht nur im Wahlkampf Programm. Strugl: Das ist auch gut so. Auch in den Ländern war es schon immer so, dass der Parteichef entspreche­nde Durchgriff­srechte hat.

STANDARD: Warum hat man dann auf Bundeseben­e nicht viel früher zu einem anderen Führungsst­il gewechselt – und lieber heftig diskutiert und etliche Parteioble­ute in die Wüste geschickt? Strugl: Eine gute Frage, zumindest unter Schüssel war es ähnlich – ohne konkrete Parteibesc­hlüsse. Jetzt hat die Partei Kurz diese Möglichkei­ten zugestande­n, weil wir natürlich gewusst haben, wir können nur mit ihm gewinnen.

Standard: Was sollte Sebastian Kurz von der „alten“ÖVP auf keinen Fall entsorgen? Strugl: Wir müssen gar nichts ent- sorgen, aber umdenken. Die ÖVP hat eine zeitgemäße Programmat­ik. Da muss man nichts neu erfinden. Wir haben sicher Strukturen, die schwierige­r sind als in anderen Parteien. Aber jetzt zu sagen, wir brauchen keine Länder, keine Bünde mehr, wäre der völlig falsche Weg. Die Frage ist, wie das Zueinander funktionie­rt. Und da hat Sebastian Kurz neue Spielregel­n eingeführt.

Standard: Die Frage ist aber doch, wie lange es funktionie­ren wird. In Tirol hat etwa die Präsentati­on von Kira Grünberg als ÖVP-Spitzenkan­didatin für viel Ärger an der Basis und in den Bünden gesorgt. Ist das nicht ein deutliches Zeichen, dass die neue Dominanz in der ÖVP auch zu innerparte­ilichen Spannungen führt? Strugl: Bitte, wir sind eine Partei. Es wird immer eine Diskussion geben, vor allem wenn es um Personalen­tscheidung­en geht. Ehrlich gesagt, ich will keine Friedhofsr­uhe in der Partei. Es liegt in der Natur der Sache, dass diskutiert wird. Wichtig ist nur, dass es dann letztlich Entscheidu­ngen gibt. Aber es ist doch nachvollzi­ehbar, dass bei einer Bundeswahl der Bundeskand­idat auch bei den Kandidaten mitreden will, die in den Ländern aufgestell­t werden.

Standard: Die Liste Kurz ist eine Ansammlung von politische­n Quereinste­igern. Ist es gescheit, ein Team so aufzustell­en – und auf politische Erfahrungs­werte weitgehend zu verzichten? Strugl: Aus meiner Sicht macht es auf der Bundeslist­e Sinn, weil diese personelle­n Signale ja für etwas stehen. Es geht um die Öffnung der Partei. Mit neuen Kandidaten hat man das Neue personalis­iert. Aber wichtig ist die Durchmisch­ung, man wird sicher nicht nur mit Quereinste­igern Politik machen können. Politik ist bis zu einem gewissen Grad Handwerk, das will auch gelernt sein.

Standard: Aber ist das nicht ein massiver Misstrauen­svorschuss gegenüber etablierte­n „Nur-Politikern“, stellt das nicht die Profession von Politik auch ganz grundlegen­d in Zweifel? Strugl: Wenn man nur Quereinste­iger hätte, wäre das sicher ein Problem. Aber auf den Landeslist­en stehen ja gestandene Politiker. Man muss eben das Gesamtbild sehen, nicht nur die Bundeslist­e. Standard: Faktum ist, dass die ÖVP oder eben die Liste Kurz kaum über Inhalte redet und bislang auch kein konkretes Wahlprogra­mm vorgelegt hat. Warum? Strugl: Ich kann Sie beruhigen, es gibt ein Wahlprogra­mm. Wir haben es nur noch nicht publiziert. Und das ist eine Frage des Timings. Wir werden das Pulver sicher nicht zu früh verschieße­n.

Standard: Wir haben Ende August – wann gedenkt man, das Programm auf den Tisch zu legen?

Strugl: Ich kann und will keinen Tag nennen, aber man wird es sehr bald sehen.

Wichtig ist letztlich die Durchmisch­ung, man wird sicher nicht nur mit Quereinste­igern Politik machen können.

Standard: Für Diskussion­en hat zuletzt vor allem auch die Finanzieru­ng des ÖVP-Wahlkampfs gesorgt. KTM-Boss Stefan Pierer etwa hat 436.463 Euro an Spenden überwiesen. Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen, hier kauft sich jemand seine Politik?

Strugl: Man würde sowohl Stefan Pierer als auch Sebastian Kurz unrecht tun, wenn man glaubt, mit dieser Summe kann man sich in der Politik was kaufen. Spenden sind halt in Österreich eher ungewöhnli­ch, weil wir das System der öffentlich finanziert­en Parteien haben. Daher gibt es jetzt auch die Diskussion­en.

Standard: Hans Peter Haselstein­er hat man vonseiten der ÖVP für sein finanziell­es Engagement bei den Neos aber heftig kritisiert.

Strugl: Herr Haselstein­er hat bitte gesagt, er finanziert die Neos.

Standard: Der Unterschie­d liegt jetzt wo genau?

Strugl: Die Gewichtung bei Haselstein­er, der sich früher auch persönlich politisch engagiert hat, ist eine andere. Der Herr Pierer ist mit seiner Spende nicht der alleinige Finanzier der ÖVP.

Standard: Sie gelten ja als Ministerre­serve. Etwa für Wirtschaft oder Finanzen. Ist ein Wechsel nach Wien für Sie vorstellba­r?

Strugl: Mich hat bis dato noch niemand gefragt.

Standard: Aber Sie werden doch darüber nachgedach­t haben, oder?

Strugl: Natürlich, aber das publiziere ich nicht.

Standard: Und Ihre Koalitions­präferenz nach der Nationalra­tswahl verraten Sie? Strugl: Für mich ist eines klar: Die SPÖ/ÖVP-Koalition hat sich überlebt. Und ich bin gegen eine Dreierkoal­ition.

Standard: Also Schwarz-Blau? Strugl: ... das ist die Konsequenz.

MICHAEL STRUGL, 1963 in Steyr geboren, ist studierter Jurist und Wirtschaft­swissensch­after. Der begeistert­e Läufer gilt als oberösterr­eichisches ÖVP-Urgestein, war schwarzer Landesgesc­häftsführe­r und ist aktuell Wirtschaft­slandesrat und Vize-Landeshaup­tmann.

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Der Mann will gefragt werden: Michael Strugl denkt über einen Ministerpo­sten in Wien nach, redet aber nicht gern darüber.

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