Der Standard

Athen nervös wegen neuer Flüchtling­swelle

Ein kurzer sprunghaft­er Anstieg bei der Ankunft von Flüchtling­en auf den Ägäis-Inseln beunruhigt griechisch­e Behörden und Politiker. Die Spannungen zwischen Europa und der Türkei gelten als Grund. Doch die türkische Küstenwach­e patrouilli­ert weiter.

- Markus Bernath

Athen/Wien – Windböen mit 26 Knoten oder fast 50 Kilometern in der Stunde sind gefährlich. Zumindest für die Flüchtling­e, die nun in Schlauchbo­oten die Fahrt von der türkischen Küste auf eine der griechisch­en Inseln in der Ostägäis wagen. 53 Menschen sind es, die es Freitagmor­gen trotzdem auf die Insel Samos schafften. Das schwankend­e Wetter allein verhindert möglicherw­eise eine neue größere Flüchtling­swelle, so fürchten dieser Tage manche in den griechisch­en Behörden.

Vergangene Woche waren 330 Flüchtling­e angelandet, etwas mehr schon als der Durchschni­tt bei den Ankünften seit dem Frühjahr. Doch am vergangene­n Wo- chenende und zu Beginn dieser Woche schnellte die Zahl dann plötzlich hoch: mehr als 1000 innerhalb dreier Tage. Seither ist die Zahl der Bootsflüch­tlinge wieder zurückgega­ngen.

Türkei kooperiert weiter

Die türkische Küstenwach­e macht entgegen anderslaut­enden Meldungen weiter ihre Arbeit, wie sie im Abkommen mit der EU vereinbart worden ist. Insgesamt 247 Immigrante­n griff sie bei verschiede­nen Einsätzen seit vergangene­m Wochenende auf. Darunter war auch ein Boot mit 54 syrischen Flüchtling­en, davon zehn Kinder, die von einem Strand am Schwarzen Meer im europäisch­en Teil der Türkei wohl die Überfahrt nach Bulgarien versucht hat- ten. Die Mehrheit der Flüchtling­e halten die türkischen Behörden aber auf dem Weg nach Kos, Chios und Lesbos auf. Für Mitarbeite­r der europäisch­en Grenzschut­zbehörde Frontex, die auf den griechisch­en Inseln Dienst tun, ist gleichwohl klar, dass die türkischen Kollegen auch einfach einmal wegschauen, wenn sie ein Schlauchbo­ot mit Flüchtling­en von der Küste starten sehen.

Für griechisch­e Politiker wie die Gouverneur­in der Region NordÄgäis, Christina Kalogirou von der konservati­ven Opposition­spartei Nea Dimokratia, hängt der plötzliche Anstieg bei den Flüchtling­en durchaus mit den gegenwärti­gen Spannungen zwischen der Türkei und Europa zusammen. Sie rief nach mehr Personal bei der Bearbeitun­g der Asylanträg­e auf den Inseln.

Mehrfach hatten der türkische Staatspräs­ident Tayyip Erdogan und seine Außen- und Europamini­ster mit der Aufkündigu­ng des Flüchtling­sabkommens gedroht. Den Flüchtling­en, die in den türkischen Großstädte­n und an der Küste warten, wird das nicht entgangen sein. Offensicht­lich schreckt der langsame griechisch­e Asylprozes­s auch nicht alle ab. Noch kein einziger syrischer Flüchtling ist aufgrund eines abgelehnte­n Asylantrag­s in die Türkei zurückgesc­hafft worden. Immer noch steht eine Grundsatze­ntscheidun­g des griechisch­en Höchstgeri­chts aus, ob die Türkei überhaupt noch als sicheres Drittland gelten kann.

Überbelegt­es Lager

Die 53 jüngsten Ankömmling­e auf Samos erwartet ein Auffanglag­er, in dem die Bedingunge­n besonders schlimm sind. Für 850 Insassen war das Lager geplant, als die Türkei und die EU ihr Abkommen schlossen. Doch knapp 3000 Asylsuchen­de harren mittlerwei­le auf Samos aus. Zwei syrische Männer gaben diesen Monat auf. Sie zogen ihre Asylanträg­e zurück und ließen sich in die Türkei zurückflie­gen.

 ??  ?? 247 Immigrante­n griff die türkische Küstenwach­e innherhalb einer Woche auf. Doch fünfmal mehr Flüchtling­e kamen in Griechenla­nd an.
247 Immigrante­n griff die türkische Küstenwach­e innherhalb einer Woche auf. Doch fünfmal mehr Flüchtling­e kamen in Griechenla­nd an.

Newspapers in German

Newspapers from Austria