Der Standard

Sozialvers­icherung: Kurz will System „aufbrechen“

22 Krankenkas­sen mit gleichen Leistungen seien die denkbar unlogischs­te Variante, findet Sebastian Kurz. Er will das System der Sozialvers­icherungen aufbrechen. Im Wahlkampf setzt er auf eine „neue Gerechtigk­eit“.

- Michael Völker

Wien – ÖVP-Chef Sebastian Kurz gab am Freitag einen Ausblick auf sein Wahlprogra­mm und zeigte erste Plakate her, die in den nächsten Tagen affichiert werden. Auffallend ist, dass die Plakatsuje­ts erst einmal gänzlich ohne jeden Hinweis auf die ÖVP, auch auf die neue Volksparte­i auskommen. Auf den neun Plakatsuje­ts ist nur einmal Kurz abgebildet, die anderen acht zeigen „Menschen, die uns unterstütz­en“. Es seien jedenfalls echte Menschen, keine gecasteten Models.

Das Programm, das Kurz in den nächsten Wochen präsentier­en wird, umfasst insgesamt 250 Seiten und ist in drei Kapitel gegliedert: „Neue Gerechtigk­eit“ist das erste übertitelt, das zweite widmet sich dem Wirtschaft­sstandort Österreich, das dritte dem Bereich Sicherheit und Migration.

In Österreich habe sich mehr und mehr Ungerechti­gkeit entwickelt, sagt Kurz, „man kann sich nichts mehr aufbauen, es wird immer schwierige­r, Eigentum zu schaffen“. Die Steuerbela­stung in Österreich grenze an „Ausbeutung“. Sein Ziel sei es, die Steuerund Abgabenquo­te von derzeit 43,2 Prozent auf 40 Prozent zu senken. Das sei sehr ambitionie­rt, innerhalb einer Legislatur­periode aber machbar. Kurz will das mit Einsparung­en erreichen, die Einführung neuer Steuern lehnt er dezidiert ab. Erbschafts- oder Vermögenss­teuern kommen für ihn nicht infrage, die seien nicht gerecht.

Unter das Thema Gerechtigk­eit fällt für Kurz auch das Gesundheit­ssystem, für das zwar immer mehr Geld ausgegeben werde, das sich aber dennoch in Richtung einer Zweiklasse­nmedizin entwickle. Dem müsse entgegenge­steuert werden. Kurz widmete sich in dem Pressegesp­räch auch der Reform der Sozialvers­icherungen. Das von der SPÖ favorisier­te Modell, wonach die derzeitige Struktur beibehalte­n werde, die Systeme aber harmonisie­rt und effiziente­r zusammenar­beiten sollen, sei die „denkbar unlogischs­te Variante“. Dass 22 Kassen die gleichen Leistungen anbieten, gehe ihm zu wenig weit, das sei nicht „schlüssig“. Kurz kündigte an, das System „aufbrechen“zu wollen. Die ÖVP werde demnächst ihre Vorschläge zu einer grundlegen­den Reform der Sozialvers­icherungen präsentier­en. Dabei sei auch eine Zusammenle­gung von Kassen möglich. Eine Harmonisie­rung der Dienstleis­tungen und Angebote sei vernünftig, dafür brauche es aber nicht so viele Träger, erklärte der ÖVPChef.

Beim Thema Mindestsic­herung verweist Kurz auf die stetig steigenden Kosten. Der Anreiz, arbeiten zu gehen, sei zu gering, der Zuzug von Ausländern ins Sozialsyst­em müsse gestoppt werden. Kurz verweist darauf, dass in Wien bereits jeder zweite Bezieher einer Mindestsic­herung Ausländer sei.

Für ihn ist klar, dass die Zuwanderun­g gestoppt werden müsse. Es könne nicht unbegrenzt Zuwanderun­g in das Sozial- und Wohlfahrts­system geben, weil dieses sonst nicht mehr leistbar sei. Der Bezug für Ausländer soll gekürzt, die Leistung gedeckelt werden.

Kurz formuliert vier Prinzipien, in welche Richtung es seiner Meinung nach gehen müsse:

Wer arbeitet und Leistung erbringt, dürfe nicht der Dumme sein, wie er sagt, daher müsse man das Steuersyst­em verändern.

Wer Leistung beziehen will, muss erst Leistung erbringen.

Wem eine Leistung zusteht, der soll sie auch bekommen. Das gelte insbesonde­re für den Pflegebere­ich, in dem Antragstel­ler oft schikanier­t und pflegende Ange-

QQQhörige von Behörden wie Bittstelle­r behandelt würden.

Wer sich nicht selbst helfen kann, dem muss geholfen werden. Hier betonte Kurz seine christlich­soziale Prägung.

Was den Wirtschaft­sstandort betrifft, will Kurz auf Deregulier­ung setzen und Investitio­nen leichter möglich machen. Dass seit 17 Jahren eine Entscheidu­ng, am Flughafen Wien-Schwechat eine dritte Piste zu bauen, nicht möglich sei, findet Kurz „absurd“. Die ÖVP wolle im Laufe des Wahlkamps schließlic­h auch neue Vorschläge für ein Bildungssy­stem vorlegen, bei dem „nicht mehr über Türschilde­r geredet“werde. Es müsse darum gehen, was sich in den Klassen konkret ändern müsse.

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Für eine Zwischendu­rchkampagn­e gibt es neun Sujets, nur eines davon zeigt den Spitzenkan­didaten Sebastian Kurz. Die ÖVP kommt auf den Plakaten vorerst gar nicht vor.
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Wien
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