Der Standard

Pornovideo als Aufklärung­shilfe

57-Jähriger soll mehrere Kinder missbrauch­t haben

- Michael Möseneder

Wien – Michael B. ist 57 Jahre alt, erfolgreic­her Unternehme­r, unbescholt­en – und soll einen krankhafte­n Hang zu Kindern haben. Zumindest wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft schweren sexuellen Missbrauch von Unmündigen vor, was er vehement leugnet. Die Wahrheit versucht der Schöffense­nat unter Vorsitz von Andreas Böhm herauszufi­nden.

Seinem eigenen Sohn und einer Volksschul­kollegin von diesem soll B. vor rund 18 Jahren jeweils einmal auf die Genitalien gegriffen haben, als die Kinder zehn Jahre alt gewesen sind. Zumindest sein Verhältnis zu dem Mädchen muss ungesund gewesen sein: Er sei vernarrt in sie gewesen und habe sich freiwillig einer Therapie unterzogen, kam am ersten Prozesstag zur Sprache. Aber, wie er nun betont: „Ich hatte nie ein sexuelles Interesse an ihr und habe das nicht gemacht.“

Am zweiten Tag geht es vor allem um die schwersten Vorwürfe, erhoben vom Sohn von B.s ehemaliger Lebensgefä­hrtin, die den Fall durch eine Anzeige ins Rollen gebracht hat. Das Kind lebte vom sechsten bis zum 14. Lebensjahr im Haushalt. In dem es recht freizügig zugegangen sein muss, der Angeklagte soll oft nackt gewesen sein. Außerdem habe ihn der Mann immer geduscht und eingecremt, selbst, als ihm das mit 13 schon unangenehm gewesen sei, sagte der Zeuge. „Er hat immer kontrollie­rt, ob ich mich im Schritt auch gut gewaschen habe.“Einmal soll B. versucht haben, beim Herumturne­n den Penis des Kindes in den Mund zu nehmen.

Nur bei zwei Dingen gibt der Angeklagte eine Grenzübers­chreitung zu: Dass er dem Burschen im Zuge eines Aufklärung­sgesprächs einen Porno mit zwei Männern und einer Frau gezeigt habe und dass er ihn darin unterwiese­n hätte, ein Kondom anzulegen. Bei letzterem Vorfall sei die Geschichte aber weiter gegangen, behauptet der Zeuge: B. wollte, dass er masturbier­e, daher habe er sich später auf dem WC bei einschlägi­gen Bewegungen gefilmt und dem Stiefvater das Material gegeben.

Um die Glaubwürdi­gkeit des Zeugen beurteilen zu können, hat Böhm ein aussagepsy­chologisch­es Gutachten von Ulla Redtenbach­er-Müller erstellen lassen. Die ist überzeugt, dass der Bursch nicht vorsätzlic­h lügt. Auch die Schilderun­g des Duschens, des Pornos und des Kondoms sei glaubwürdi­g. Anders sieht es beim versuchten Oralsex und der überlangen Reinigung der Genitalien aus: Hier könnten psychologi­sche Mechanisme­n, etwa unbewusste Suggestion durch die Mutter, zum Tragen kommen, die die Erinnerung verzerren, beziehungs­weise zu falschen Interpreta­tionen führen.

Für Zeugen wird vertagt.

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