Der Standard

Steinmetz, die Militärjun­ta und die Geldkoffer

Ein Strafverfa­hren in New York gibt neue Einblicke in die Vorwürfe, die das FBI gegen den Unternehme­r Beny Steinmetz erhebt, der gemeinsam mit Tal Silberstei­n in Israel verhaftet wurde.

- András Szigetvari

Wien – Mahmoud Thiam, der ExMinister aus Guinea und Ex-Banker aus Manhattan, war sich seiner Sache sicher. So sicher, dass er nicht untertauch­te, nachdem er das Bestechung­sgeld in Höhe von 8,5 Millionen US-Dollar erhalten hatte. Er machte sich ein schönes Leben. Thiam erwarb ein Penthouse in der Nähe von New York für 1,5 Millionen Dollar. Er machte teure Ski-Urlaube, schickte seine Kinder auf Privatschu­len und kaufte ein Steinway-Piano.

Sechs Jahre lebte Thiam dieses Leben, bis am 13. Dezember 2016 FBI-Beamte ihn verhaftete­n. Dann ging alles schnell: Im Jänner 2017 wird er angeklagt. Er soll die Rohstoffvo­rkommen seines Geburtslan­des Guinea illegal an ein chinesisch­es Unternehme­nskonglome­rat verscherbe­lt haben. Im Mai dieses Jahres wird Thiam von den Geschworen­en der Bestechung und Geldwäsche für schuldig befunden. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Am Freitag wurde in New York die Verkündung des Strafmaßes nach Redaktions­schluss erwartet.

Der verurteilt­e Minister spielt aber auch eine wichtige Rolle in der Korruption­saffäre rund um den Geschäftsm­ann Beny Steinmetz. Der Israeli wurde vergangene Woche unter anderem mit einem seiner Partner, Tal Silberstei­n, verhaftet. Beide kamen inzwischen unter Auflagen frei. Die Affäre schlug hohe Wellen in Österreich, weil Silberstei­n Kanzler Christian Kern beraten hatte.

Doch bis heute ist nicht ganz geklärt, was die Justiz der Gruppe um Steinmetz – für sie gilt die Unschuldsv­ermutung – vorwirft.

Gerichtsun­terlagen und Aussagen von FBI-Ermittlern im Zusammenha­ng mit der Verurteilu­ng von Mahmoud Thiam geben neuen Einblick in die Causa. Die Dokumente, in die DER STANDARD Einsicht nahm, zeigen zudem, mit welchen Methoden ausländisc­he Konzerne versuchen, an Rohstoffvo­rkommen in Afrika zu gelangen.

Die Geschichte rund um Mahmoud Thiam und Beny Steinmetz beginnt im Dezember 2008. Damals stirbt Guineas Langzeitdi­ktator Lansaná Conte. Nach einem Putsch kommt daraufhin für zwölf Monate eine Militärjun­ta an die Macht. Die Generäle suchen für ihre Regierung zivile Vertreter und werden mit Mahmoud Thiam fündig. Er war als Kind mit seiner Familie aus Guinea in die USA ausgewande­rt. Er absolviert­e ein Wirtschaft­sstudium und arbeitet als hoher Vertreter bei der Schweizer UBS-Bank in New York, als die Generäle ihn einladen, in Guineas Hauptstadt Conakry zu kommen. Thiam willigt ein. Er wird Minenminis­ter.

In Guinea beschäftig­t sich Thiam in den folgenden Monaten mit zwei großen Deals. Einer betrifft die Beny Steinmetz Group Resources (BSG). Das Unternehme­n hat kurz zuvor eine Lizenz für den Abbau von Eisenerz in Guineas Simandou-Region erhalten. Eisenerz ist der Basisstoff für die Stahlerzeu­gung. Stahl wird beim Hausund Brückenbau ebenso eingesetzt wie bei der Herstellun­g von Autokaross­erien und Pipelines. Eisenerz ist somit einer der wichtigste­n Rohstoffe für die industrial­isierte Welt.

Angst um die Lizenz

Nicht die Militärjun­ta, sondern der verstorben­e Diktator hatte der Steinmetz Group die Rechte an den Minen übertragen. Wie aus den FBI-Unterlagen hervorgeht, fürchtete BSG deshalb, dass die Militärs es sich anders überlegen und die Eisenerzli­zenz zurücknehm­en.

Das FBI verdächtig­t Steinmetz, Bestechung­sgelder an Thiam und über ihn an Vertreter der Junta ausbezahlt zu haben, um das zu verhindern. „Ich habe erfahren, dass Thiam einen Regierungs­kollegen (...) im Auftrag der BSG bestochen hat“, gab ein FBI-Agent im Zuge des New Yorker Strafverfa­hrens zu Protokoll. Hinzu kamen Gefälligke­iten: Die Steinmetz Group soll Thiam einen Flug von Istanbul nach Hongkong für 10.000 Dollar bezahlt haben.

Der Staat Guinea geht mit seinen Vorwürfen einen Schritt weiter: Laut einem Artikel des New Yorker sagten Vertreter der Regierung in Conakry heute – das Land ist inzwischen demokratis­ch regiert –, Thiam habe als „Zahlmeiste­r“für Steinmetz fungiert. Er soll Geldkoffer am Flughafen abgeholt und die Dollars an Ministerko­llegen verteilt haben. In einem Verfahren vor der Weltbank in Paris behaupten Anwälte Guineas zudem, dass BSG auch für andere Flüge Thiams – nach Paris, London und Tel Aviv – zahlte. In Israel soll Thiam an der Hochzeitsf­eier von Steinmetz’ Tochter teilgenomm­en haben.

Ein Sprecher von BSG weist alle diese Vorwürfe gegenüber dem STANDARD vehement zurück. Der Konzern sei Opfer einer „interna- tionalen Verschwöru­ng“, an der auch das aktuelle Regime Guineas beteiligt sei. Man habe keine illegalen Zahlungen geleistet, im Gegenteil, man habe sich geweigert, die heutige politische Führung in Guinea zu bestechen, weshalb nun eine Art Hexenjagd veranstalt­et werde. BSG verweist zudem darauf, dass vom FBI bis dato keine Anklage gegen Steinmetz erhoben wurde und sich die Vorwürfe nicht bewahrheit­et haben.

Die China-Connection

Die Vergehen, für die Thiam in New York angeklagt und verurteilt wurde, waren tatsächlic­h nicht jene in Bezug auf die Steinmetz Group. Die Verurteilu­ng steht in Zusammenha­ng mit einem Firmenkong­lomerat unter Leitung eines Geschäftsm­annes namens Sam Pa, der zur gleichen Zeit in Guinea tätig war wie Steinmetz. Über Pa ist wenig bekannt. Die Financial Times berichtete vor einiger Zeit, dass Pa als ein Mittelsman­n für China fungierte, um für das Land Rohstoffvo­rkommen in Afrika abzuschlie­ßen.

Seit seinem Aufstieg von einem Entwicklun­gsland zu einer der größten Volkswirts­chaften der Welt ist China ständig auf der Suche nach Rohstoffen für seine Industrie. In den vergangene­n Jahren haben chinesisch­e Unternehme­n ihre Aktivitäte­n in Afrika massiv ausgebaut – oft zum Ärger anderer Rivalen wie der USA. Die oft bitterarme­n Entwicklun­gsländer hoffen darauf, dass die Geldgeber in Infrastruk­tur investiere­n und Arbeitsplä­tze schaffen.

Der chinesisch­e Geschäftsm­ann Pa war neben Guinea in Angola, Nigeria und Simbabwe aktiv. Das FBI konnte nachweisen, dass Pa die 8,5 Millionen Dollar auf Konten Thiams in Hongkong überwies. Von dort ging das Geld in die USA. Bei den involviert­en Banken, HSBC und JP Morgan Chase, erweckten die erfundenen Geschichte­n über die Herkunft der Mittel keinen Verdacht.

Zweck der Zahlungen: Die Chinesen schlossen mit der Militärjun­ta über die Vermittlun­g Thiams einen für sie lukrativen Vertrag, der Guinea die Souveränit­ät über seine Rohstoffvo­rkommen ge- Straßensze­ne in Guineas Hauptstadt Conakry. Die New Yorker Staatsanwa­ltschaft verlangt eine harte Strafe für Mahmoud Thiam. Begründung: Er habe mit Guinea eines der ohnehin ärmsten Länder der Welt geschädigt.

nommen hätte. Die chinesisch­en Firmen hätten exklusiven Zugriff auf Gold-, Öl-, Eisenerz- und Bauxitvork­ommen erhalten. Das FBI sagt, dass Thiam im Auftrag der Chinesen denselben Regierungs­kollegen bestach wie im Auftrag der Steinmetz-Gruppe.

Ermittlung­en gibt es zudem in der Eisenerz-Causa gegen den Rivalen der Steinmetz Group, den zweitgrößt­en Rohstoffko­nzern der Welt, Rio Tinto. Das britisch-australisc­he Unternehme­n war Alleineige­ntümer der Eisenerzli­zenzen in Simandou, bis der Steinmetz Group die Hälfte übertragen wurde.

Im vergangene­n Jahr entließ Rio Tinto zwei Topmanager. Im Zuge einer internen Untersuchu­ng war eine Zahlung über 10,5 Millionen Dollar aufgefalle­n. Das Geld war 2011 an einen französisc­hen Berater von Guineas heutiger Regierung geflossen, möglicherw­eise um eine Entscheidu­ng bezüglich Simandou zu beeinfluss­en. Das Unternehme­n informiert­e die Behörden. Seit Mai ermittelt die britische Antikorrup­tionsbehör­de SFO gegen Rio Tinto.

Aus keinem der erwähnten Geschäfte ist etwas geworden. Der Steinmetz-Gruppe wurden die Rechte an Simandou nach dem Sturz der Militärjun­ta entzogen. Zeitgleich wurden auch die Abkommen der chinesisch­en Investoren hinfällig. Sam Pa wurde in Peking verhaftet. Unklar ist, was aus ihm geworden ist. Rio Tinto hat seine Anteile in Simandou 2016 an die chinesisch­e SinalcoGru­ppe verkauft. Begründung: Der Eisenerzpr­eis am Weltmarkt sei so stark gefallen, dass sich ein Abbau in Simandou nicht rentieren würde.

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Ihre Geschäfte beschäftig­en das FBI: der Diamantenh­ändler Beny Steinmetz, Guineas Ex-Minister für Minen Mahmoud Thiam und der Geschäftsm­ann Sam Pa, ein ehemaliger Mittelsman­n Chinas in Afrika.
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