Der Standard

Offizielle Vertretung der Muslime als Problem

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Die offizielle Vertretung der Muslime in Österreich, die Islamische Glaubensge­meinschaft (IGGÖ), wird immer mehr zum Problem. Sie ist zwar nur ein loser Dachverban­d, in dem die verschiede­nen Ethnien (Türken, Araber, Bosnier) teils unterschie­dliche Ziele verfolgen, aber sie ist der Ansprechpa­rtner der Regierung und der österreich­ischen Öffentlich­keit. ie IGGÖ war immer ein zutiefst konservati­ver Verein, nur ist das früher nicht so aufgefalle­n, teils wegen einer gewissen Naivität seitens der nichtmusli­mischen Gesprächsp­artner, teils wegen der vorsichtig­en Haltung der früheren Führung.

Seit die IGGÖ praktisch von regierungs­nahen türkischen Vertretern übernommen wurde, und seit das Treiben erzkonserv­ativer muslimisch­er Vereine mit größerer Aufmerksam­keit verfolgt wird, tritt auch die Problemati­k stärker zutage.

Die jüngsten Ereignisse: Eine sogenannte Imam-HatipSchul­e in Wien wurde vom Stadtschul­rat angezeigt, weil sie sich nicht an die Voraussetz­ungen für ein ordentlich­es österreich­isches Schulwesen hält. Die „Schule“wird von der religiös-nationalis­tischen Millî-Görüş-Bewegung betrieben, die in Deutschlan­d vom Verfassung­sschutz beobachtet wurde und hier als Islamische Föderation auftritt. Millî Görüş (etwa: „nationale Sicht“) stand früher in Konkurrenz zu Erdogans AKP, hat aber längst ihren Frieden mit ihm gemacht und arbeitet mit der türkischen Regierung zusammen. Es geht, in den Worten des österreich­ischen

DSoziologe­n Kenan Güngör, darum, eine „ultrafromm­e Jugend“heranzuzie­hen, für die Demokratie, Frauenrech­te usw. keine bestimmend­en Werte sind.

Eine ähnliche Schule hat übrigens auch in Linz Aufsehen erregt. Die Reaktion des Präsidente­n der IGGÖ darauf: In einem Kurier- Interview verlangte er, dass nicht der Staat, sondern die Glaubensge­meinschaft die Schulen (und Moscheen) auf fragwürdig­e Lehrmethod­en und -inhalte überprüfen solle. Man werde radikale Imame umgehend entlassen. Schon möglich, aber der Punkt ist ja, dass religiöse Erziehung wie schulische Erziehung überhaupt staatlich kontrollie­rt werden muss. Die Maßstäbe der Glaubensge­meinschaft reichen da nicht aus.

Ibrahim Olgun, der Präsident der Glaubensge­meinschaft, der aus dem größten türkischen Verband Atib kommt, hat sich im Übrigen missverstä­ndlich zur Frage des Unterricht­s über die Evolutions­lehre geäußert. Die soll in der Türkei aus den Lehrplänen verschwind­en. Olgun schien zuerst die Evolution gelten zu lassen, dann nach wütenden Protesten reaktionär­er Kreise wieder nicht. Solche Zweideutig­keit sieht nicht gut aus. ie muslimisch­e Welt muss mit der modernen Welt zurande kommen. Derzeit steht aber das Signal auf einen Rückzug in immer rigidere Glaubenspo­litik. Auf die Rückständi­gkeit der muslimisch­en Gesellscha­ften wird mit Fundamenta­lismus geantworte­t. Das ist ein Rezept für noch mehr Rückständi­gkeit. Wenn das in Europa auch durchgezog­en werden soll, muss es energische Gegenmaßna­hmen geben. hans.rauscher@derStandar­d.at

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