Der Standard

1500 Euro steuerfrei – ein verunglück­ter Vorschlag

Die SPÖ-Koalitions­bedingung würde Armut nicht bekämpfen und nur Teilzeitar­beit fördern

- Rolf Gleißner

Nach dem Mindestloh­n von 1500 Euro fordert die SPÖ als Koalitions­bedingung, dass diese 1500 Euro von der Einkommens­teuer befreit werden. Derzeit sind 11.000 Euro pro Jahr steuerfrei, die meisten EU-Staaten „schlagen“schon weit darunter „zu“. Die SPÖ-Forderung klingt zunächst nach sinnvoller Armutsbekä­mpfung: 1500 Euro Monatslohn für 40 Stunden Arbeit sind nicht viel. Arbeit soll sich lohnen und attraktive­r sein als die häufige Kombinatio­n Sozialtran­sfer und Pfusch oder geringfügi­ge Arbeit.

Wie eine IHS-Studie zeigt, lohnt es sich in Österreich oft nicht, Arbeit anzunehmen oder auszuweite­n: Überschrei­tet ein Arbeitslos­er den geringfügi­gen Zuverdiens­t, verliert er das Arbeitslos­engeld, gleichzeit­ig werden Sozialabga­ben und Steuer fällig. Wechselt eine alleinerzi­ehende Teilzeitbe­schäftigte zu Vollzeit, verliert sie nicht nur Sozialtran­sfers sowie die ORF-Gebührenbe­freiung, sondern zahlt auch erstmals Einkommens­teuer sowie volle Sozialabga­ben und darf nicht mehr in Sozialmärk­ten einkaufen.

Was liegt näher, als Geringver- diener wenigstens von der Einkommens­teuer zu befreien?

Zunächst einmal würden alle profitiere­n: Wegen der Systematik des Einkommens­teuertarif­s wären die ersten 1500 Euro pro Monat für jeden steuerfrei, auch für den Millionär. Daher würde der Fiskus Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro (SPÖ-Schätzung; wohl die Untergrenz­e) verlieren. Dieser Ausfall müsste kompensier­t werden: durch Einsparung­en, die erfahrungs­gemäß schwer und nicht rasch erreicht werden, oder höhere Steuern, die im Ergebnis Verdiener über 1500 Euro mehrbelast­en.

Betrachten wir aber die eigentlich­e Zielgruppe: Ca. 1,7 Millionen Arbeitnehm­er verdienen weniger als 1500 Euro brutto pro Monat. Davon ist ca. eine Million in Teilzeit, verdient also vor allem aufgrund der geringen Arbeitszei­t weniger. Es würden somit überwiegen­d Teilzeitbe­schäftigte profitiere­n, von denen nach Eurostat 84 Prozent nicht länger arbeiten wollen, somit bewusst nicht mehr verdienen. Trotz ihres geringen Verdiensts sind sie selten armutsgefä­hrdet (mit elf Prozent weniger als der Durchschni­tt von 14 Prozent), weil es im Haushalt meist weitere Einkommen gibt. Hier fällt auf, dass die Politik den Teilzeitbo­om bei Frauen beklagt, ihn aber gleichzeit­ig massiv fördert – durch Fördermode­lle, Sozialtran­sfers sowie Befreiunge­n von Sozialvers­icherung und Einkommens­teuer.

Was sind nun die Folgen, wenn Monatslöhn­e unter 1500 Euro von der Einkommens­teuer befreit werden und höhere Löhne das ausgleiche­n müssen?

Die Armut wird kaum bekämpft, weil überwiegen­d Nichtbedür­ftige profitiere­n.

Die erhöhte Einkommens­teuerbefre­iung würde den Teilzeitbo­om eher anheizen: Vor allem für Frauen wäre der Anreiz stärker, unter 1500 Euro pro Monat und damit in Teilzeit zu bleiben.

In der Folge wird es mehr Verdiener(innen) unter 1500 Euro geben, Schwarzseh­er werden nach noch mehr Umverteilu­ng rufen, und die Umverteilu­ngsmaschin­e wird sich noch schneller drehen.

Wenn viele gar keine Einkommens­teuer mehr zahlen, wird die Steuerlast auf immer weniger Schultern verteilt. Dadurch haben immer weniger Menschen ein Eigeninter­esse an Steuersenk­ungen und einem sparsamen Staat.

Ja, die Abgaben müssen sinken, ja, Arbeit soll sich lohnen. Das erfordert folgende Schritte:

QQQQDie Wirtschaft leistet mit der Umsetzung von 1500 Euro Mindestloh­n (inkl. Sonderzahl­ungen 14 Prozent mehr als der deutsche Mindestloh­n!) einen großen Beitrag.

Im Gegenzug sollten die besonders hohen Lohnnebenk­osten für alle Dienstverh­ältnisse sinken.

Sozialtran­sfers sollten ausgleiten und nicht abrupt bei Überschrei­tung von Einkommens­schwellen wegfallen.

Die Kombinatio­n Sozialtran­sfer und Pfusch oder geringfügi­ge Arbeit ist abzudrehen. Sie ist zu attraktiv und verhindert oft vollversic­herte Dienstverh­ältnisse, die nachhaltig Armut vermeiden.

Was die Steuerbefr­eiung für die ersten 1500 Euro betrifft: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut.

QQQQROLF GLEISSNERi­st Arbeits- und Sozialrech­tsexperte der Wirtschaft­skammer Österreich. Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at)

 ??  ??
 ?? Foto: Wilke ?? Wirtschaft­skammerexp­erte Rolf Gleißner: Die Steuerlast wird auf die Schultern anderer verteilt.
Foto: Wilke Wirtschaft­skammerexp­erte Rolf Gleißner: Die Steuerlast wird auf die Schultern anderer verteilt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria