Der Standard

KOPF DES TAGES

Flucht ins Ausland, wie schon der Bruder

- Gianluca Wallisch

Es gab Zeiten, da war Yingluck Shinawatra der absolute Liebling der Massen – doch diese sind wohl definitiv vorbei: Thailands Polizei sucht die ehemalige Premiermin­isterin per Haftbefehl, nachdem sie sich der Justiz durch Flucht ins Ausland entzogen hat.

Nachhaltig­e Probleme mit dem Gesetz hatte bereits der Bruder der studierten Politik- und Verwaltung­swissensch­afterin: Thaksin Shinawatra. Auch er war bis 2006 Premier seines Landes, verließ es aber vor einer Verurteilu­ng wegen Amtsmissbr­auchs und lebt seit einem Jahrzehnt im Ausland. Von dort aus baute er seine zuvor politisch kaum aktive Schwester – die jüngste in einer Familie von neun Kindern – auf, bis sie 2011 fast über Nacht zum Star wurde, die Wahlen mit absoluter Mehrheit gewann und zur ersten Regierungs­chefin Thailands avancierte.

Eines der zentralen Wahlverspr­echen der vormaligen Managerin und Mutter eines Sohnes war ein garantiert­er Mindestpre­is für Reis – das wichtigste Grundnahru­ngsmittel in dem südostasia­tischen Land. Es erwies sich als Bumerang: Das Programm führte zu einer rapide steigenden Staatsvers­chuldung, weil Thailand auf Reisbergen sitzen blieb, die es am Weltmarkt nicht absetzen konnte. Ein Milliarden- flop für den Staat, von dem fast nur große Agrarkonze­rne, nicht aber Yinglucks Zielgruppe, die zahlreiche­n kleinen Reisbauern, profitiert­en.

Als teure, aber wirkungslo­se Projekte erwiesen sich auch die Verteilung von Tabletcomp­uter an alle Schulanfän­ger sowie Steuergesc­henke für Haus- und Pkw-Eigentümer. Auch eine von ihr angestreng­te Verfassung­sänderung scheiterte.

Als die oft wochenlang im Ausland weilende Regierungs­chefin – mittlerwei­le auch Verteidigu­ngsministe­rin – ein Amnestiege­setz für ihren Bruder durchboxen wollte, ging das Volk auf die Straße. In einem letzten Kraftakt überstand sie im November 2013 ein Misstrauen­svotum im Parlament und brach Neuwahlen vom Zaun. Doch von diesen konnte sie nicht profitiere­n: Im Mai 2014 wurde sie wegen Amtsmissbr­auchs des Amtes enthoben. Beim darauffolg­enden Militärput­sch wurde sie vorübergeh­end festgenomm­en.

Anfang 2015 wurde Yingluck dann offiziell wegen Korruption und Verschwend­ung von Steuergeld­ern angeklagt und zu einer Milliarden­zahlung verurteilt. Das letztinsta­nzliche Urteil hätte am Freitag gesprochen werden sollen – doch da befand sich der ehemalige Liebling des Volkes bereits auf der Flucht.

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Foto: AFP Yingluck Shinawatra, der Korruption beschuldig­te Expremieri­n Thailands.

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