Der Standard

Hoffnung auf sinkendem Schiff

- Gerald John

Der nächste schmerzlic­he Abgang: Werber Martin Radjaby-Rasset verlässt die Grünen, und das zur Unzeit. Nicht dass jeder Einfall des PR-Gurus stets zum Renner wurde; die von ihm mitentworf­ene softe Linie hat den Grünen weniger gut getan als dem Präsidents­chaftskand­idaten Alexander Van der Bellen. Doch wer eine Kampagne konzipiert hat, sollte bis zum Ende mit von der Partie sein. Es kann ja Bedarf zum Nachjustie­ren geben.

In der Außenwirku­ng ist der Rückzug erst recht unheilvoll: Angesichts der aktuellen Umfragewer­te drängt sich unweigerli­ch die Metapher vom sinkenden Schiff auf.

Dabei sind die Grünen an der vordersten Front selbst nicht schlecht aufgestell­t. Ulrike Lunacek hat den Vorteil, einzige Frau unter den Spitzenkan­didaten zu sein – logisch, dass die neuen Plakate dieses Asset hervorstre­ichen. Die 60-Jährige neigt zu klaren Aussagen und hat im Europawahl­kampf 2014 bewiesen, dass sie gewinnen kann.

Umso unverständ­licher ist, dass die Grünen Lunacek nicht gleich zur unumschrän­kten Chefin gekürt haben. Im Hahnenkamp­f um das Kanzleramt droht die Partei ohnehin unterzugeh­en, da hat die Kandidatin jeden publikumsw­irksamen Auftritt bitter nötig. Doch so saß beim ORFSommerg­espräch unlängst nicht Lunacek, sondern die nominelle Parteiobfr­au Ingrid Felipe – und erweckte mit Reminiszen­zen an die Tiroler Heimat den Eindruck, dass sie sich selbst fehl am Platz fühlt.

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