Zurückkommen
Wenn der Sommer bald vorbei ist, heißt es irgendwann zurückkommen – aus dem Urlaub, dem Ausland, zurück nach Hause, in den Alltag und in das alte Leben. Das tut manchmal sogar weh. TEXTBEITRÄGE von
Stadtwohnung? Da gibt es wenige gute Verstecke. Entweder im Kleiderschrank oder unterm Bett. Viel mehr Möglichkeiten gibt’s nicht. Auch wenn alles durcheinander ist. Die herumliegende Kleidung ist mir egal, besonders die benutzte. Da leg ich mich drauf, rolle mich auf einer Unterhose ein und schlafe ein Stündchen oder zwei. Aber die Koffer und Taschen und Schachteln und Nylonsäcke sind mir im Weg. Ich habe keine Lust, den ganzen Tag über irgendwelche Hindernisse zu springen, nur weil ich in die Küche gehen möchte oder aufs Klo. Apropos Klo. Ist auch nicht geputzt. Diesbezüglich weiß ich wenigstens, wie ich mich rächen kann. Ich pinkle ins Bett! Der städtische Straßenlärm stört auch nach zwei Monaten ganz ohne Lärm am autofreien See. Dazu kommt, dass dauernd das Telefon läutet oder der Postler, der Pakete oder Einschreibebriefe bringt. Keine Ruhe herrscht mehr. Die wieder einmal über den Sommer vertrockneten Blumen sind auch kein schöner Anblick. Braune Blätter, die ste- chen, wenn man sie streift. Sie werden wie nach jedem Sommeraufenthalt am See einfach alle in den Müll geworfen. Eine sagenhafte Verschwendung! Genauso wie die verschimmelten Lebensmittel aus dem Kühlschrank und dem Vorratsschrank. Wird alles entsorgt! Kurz darauf kommt dann auch noch die Putzfrau und tobt mit dem Staubsauger durch die Wohnung. Mir bleibt dann nur der Kasten, das Bett oder der Verschlag. Manchmal sitze ich auch auf dem Dachbalken. Dort höre ich zwar alles, aber wenigstens kann mich dort niemand fangen und bürsten.
Außerdem stellt sich mir jedes Jahr nach dem Sommer wieder die Frage: Was soll ich hier? Schlafen, essen, ab und zu eine Fliege. Gut, auf die Frösche und Maulwürfe am See kann ich verzichten. Sie sind ekelhaft. Aber die vielen Mäusearten, speziell die Wühlmäuse, und die Siebenschläfer werden mir schon abgehen. Die Mäuse, weil sie erstklassig schmecken, die Siebenschläfer, weil sie eine echte Herausfor- derung sind. Siebenschläfer sind ungeheuer schnell. Nachdem ich einen erwischt habe, muss ich praktisch einen ganzen Tag lang schlafen, um mich von der Jagd zu erholen. Und so ein Schlaf nach getaner Arbeit ist natürlich ganz was anderes als die Döserei in der Stadt. Alle zwei Wochen kommt der Kläffer der Nachbarin zu Besuch, den ich dann bestenfalls anfauchen kann. Das ist kein Leben. Eines Tages haue ich ab. Da suche ich mir einen riesigen Bauernhof auf dem Land mit Ställen und Scheunen, in denen ich mich verstecken kann. Oder ein altes Schloss, das keiner mehr will. Irgendwo in der Einöde. Hauptsache Platz und keine Menschen! Und kein Telefon! Und keine Nachbarn! Ein paar Schafe wären mir egal. Auch andere Tiere. Ich würde mich von dem ernähren, was ich vorfinde. Auf gemauerten Steinbalustraden in der Wintersonne liegen oder bei Regen in einem halbverfallenen Holzpavillon auf dem Fensterbrett dösen, täglich zwei Mäuse fangen und mein Leben genießen. Margit Schreiner