Dieses kleine Ritual
Ich weiß nicht mehr genau, wann es angefangen hat. Oder warum. Aber schon seit einigen Jahren bringe ich jedes Mal, wenn ich von einer längeren Reise zu mir in Berlin-Neukölln nach Hause komme, als Erstes den Koffer in meine Wohnung, schaue nach den Terrassenpflanzen und setze mich dann für zwei Stationen in die U-Bahn nach Kreuzberg, um dort bei Marie, einer meiner besten Freundinnen, und ihrer Familie vorbeizuschauen.
Viele Menschen, die ich kenne, beschreiben das Zurückkehren als ein Gefühl der Freude. Ein Bekannter von mir erzählte mir kürzlich, dass immer, wenn er mit dem Zug in den Berliner Hauptbahnhof einfährt, sein Herz etwas höherschlägt, weil ihm bewusst werde, dass er in seinem Leben am richtigen Ort angekommen sei. Ich beneide solche Menschen manchmal – heimlich, versteht sich. Denn ich habe dieses Gefühl noch nie wirklich empfunden, zumindest nicht so, in dieser zufriedenen Selbstverständlichkeit. Schon von meiner ersten Reise kurz vor dem Studium – eine Freundin und ich waren einen Monat lang mit Zelt und Rucksack durch Italien gezogen – bin ich nicht so zurückgekommen. Die prägnanteste Erinnerung, die ich von jenem Monat habe – neben römischen Ruinen, weißen Stränden, Freiluftdiscos und einem unfassbar schönen Mann, der für uns mit freiem Oberkörper Cello spielte –, spielt sich in der Tat auf dem Tegeler Flughafen ab. Ich sitze im Bus, schaue auf den wolkenverhangenen Berliner Himmel und kann nicht glauben, dass es mich wieder hierher verschlagen hat.
Unter jenem anderen Himmel
Diese Szene sollte sich in den Jahren darauf oft wiederholen, vor allem wenn ich länger als nur ein paar Tage unterwegs war. Ich möchte ob meiner Rückkehr nicht traurig werden. Ich fasse den Entschluss, den grauweißen Berliner Himmel einfach nicht zu beachten. Ich packe sofort nach dem Nachhausekommen den Koffer aus, werfe die Wäsche in die Maschine und tue so, als wäre ich bereit, durchaus optimistisch auf die kommenden Tage zu schauen. Doch dann holt mich die Rückkehrtraurigkeit wieder ein. Ohne Ausnahme. Eine Art intensiven Fernwehs. Ich fühle mich, als wäre eben ein kleiner Teil von mir gestorben, jener Teil, den ich in dem anderen Land in mir entdeckt hatte, in der anderen Stadt, in jenem anderen Klima, unter jenem anderen Himmel.
Bis sich dieses kleine Ritual eingestellt hat. Ich glaube, es hat sich aus der einen oder anderen Notwendigkeit heraus ergeben. Ein Schlüssel, der abgeholt werden musste; ein Treffen, das man bei sich überschneidenden Termin-