Der Standard

Tests für die Suche nach der perfekten Persönlich­keit

In der Personalau­swahl setzen viele Unternehme­n nicht nur auf Lebenslauf und Arbeitspro­be – sondern auch auf Tests, die Aufschlüss­e zur Persönlich­keit geben sollen. Anbieter solcher Verfahren gibt es viele, Qualitätsk­riterien allerdings nicht.

- Lara Hagen

Wien – Für die Suche nach passenden Mitarbeite­rn können Personalab­teilungen mittlerwei­le aus dem Vollen schöpfen. Kandidaten werden längst nicht nur in einem persönlich­en Gespräch interviewt, sie werden in verschiede­nsten Tests auch auf Herz und Nieren geprüft: vom fachspezif­ischen Wissen über ihre soziale Kompetenz bis hin zu Fragebögen, deren Beantwortu­ng etwas über die Persönlich­keit der Bewerber aussagen soll.

Anbieter für diese Tests gibt es wie Sand am Meer – und ihre Verspreche­n an die Unternehme­n klingen immer vielverspr­echend. „Wahrschein­lich gibt es einige, die solchen einfachen Methoden Glauben schenken“, sagt Tuulia Ortner, die an Uni Salzburg Professori­n für Psychologi­sche Diagnostik ist. Wenn sich Unternehme­n für Qualitätss­tandards in Testungen interessie­ren, wenden sie sich oft an Ortner. In den meisten Fällen handle es sich um Fragebögen, die den Personalab­teilungen angeboten werden. Was Ortner überrascht­e: „Diese Verfahren sind oft sehr hochpreisi­g und kosten mehr als wissenscha­ftlich fundierte Verfahren. Evidenzbas­iert sind sie in vielen Fällen aber nicht.“

Erlaubt ist fast alles

Wie viele Unternehme­n in Österreich ihre Bewerber einem Persönlich­keitstest unterziehe­n, ist unklar. Je größer und internatio­naler der Betrieb, desto größer sind aber die Chancen. Und: Nicht nur im Bewerbungs­verfahren interessie­ren sich Arbeitgebe­r für die persönlich­en Fähigkeite­n von Menschen – auch wenn es um Beförderun­gen und Besetzunge­n von Führungspo­sten geht, werden solche Tests gerne verwendet.

Tatsächlic­h wäre es ja praktisch, wenn ein paar Kreuze am Papier darauf schließen lassen, wie sich Person XY in der heiklen Situation verhält, wenn Personal abgebaut werden muss. Oder wie ein Mitarbeite­r reagiert, wenn er bemerkt, dass Kollegen gegen das Unternehme­nsziel arbeiten. Wie sehr die eigene Persönlich­keit zum Berufserfo­lg beiträgt, werde aber überschätz­t, sagt Ortner. „Gewissenha­ftigkeit ist zum Beispiel eine Eigenschaf­t, die nachweisli­ch eine große Rolle spielen kann. Bei anderen Charakterz­ügen ist eine Aussage diesbezügl­ich eher schwierig.“Manchmal, so vermutet die Psychologi­n, handle es sich bei diesen Tests schlichtwe­g um eine vorgeschob­ene Begründung für eine bestimmte Entscheidu­ng. Ein zusätzlich­es Tool, das zeigen soll: Hier wurde objektiv und besonders ausführlic­h ausgesiebt.

Das Problem dabei: In Österreich gibt es keine rechtsverb­indliche Norm für Qualitätsk­riterien von Persönlich­keitstests, die Unternehme­n, aber auch Weiterbild­ungsinstit­utionen einsetzen können. Was häufig passiert, wird in der Psychologi­e als Barnum-Effekt beschriebe­n: Man legt Menschen ein vage formuliert­es Persönlich­keitsprofi­l vor, jeder sucht sich das heraus, was für ihn passt, und ist begeistert von der Treffsiche­rheit des Tests.

Natürlich seien nicht alle Tools zur Persönlich­keitsanaly­se schlecht, es gebe sehr große und profession­elle Player am Markt. Was Personalve­rantwortli­che bei Angeboten aufhorchen lassen sollte: wenn die Fragebögen nur wenig komplex sind, das Ausfüllen nur wenige Minuten dauert und zig Seiten Auswertung schon mitgeliefe­rt werden, sagt Ortner. „Häufig sind die Ergebnisse solcher Tests dann, dass man Typ X von vier verschiede­nen Möglichkei­ten ist. In der aktuellen wissenscha­ftlichen Psychologi­e würde man eine solch simple Einteilung schlichtwe­g nicht mehr finden.“Personalve­rantwortli­che sollten sich also um valide Verfahren bemühen – sich aber selbst bei aussagekrä­ftigeren Tests bewusst darüber sein, dass es sich bei den Ergebnisse­n in der Regel nur um Selbsteins­chätzungen handelt.

Qualitätsk­riterien ab Herbst

Sensibilit­ät brauche es auch bei jenen, die Testverfah­ren durchlaufe­n. „Konsumente­n sollten hier kritischer werden und gegebenenf­alls Infos zur Validität verlangen“, sagt Ortner.

Dass es nun mit der Önorm D 4000 auch in Österreich ab Herbst einen überarbeit­eten und erwei- terten Katalog mit Qualitätsk­riterien und -standards für die berufsbezo­gene Eignungsdi­agnostik gibt, sei jedenfalls sehr wichtig. Denn Experten gehen davon aus, dass die Persönlich­keit in den nächsten Jahren noch öfter und auf verschiede­nste Weise durchleuch­tet werden wird.

Softwares sind auf dem Vormarsch – etwa solche, wo von der Sprache auf persönlich­e Eigenschaf­ten geschlosse­n wird. Da wird zum Beispiel die Länge der Sätze analysiert, Satzbau und Wortwahl. Oder auch wie schnell und laut jemand spricht. Der Inhalt des Gesprächs ist zweitrangi­g. Manche Unternehme­n setzen stattdesse­n auf Spielesoft­ware: Bei Shell mussten Bewerber in die Rolle eines Kellners schlüpfen – 20 Minuten später ist das Persönlich­keitsprofi­l da. Beliebt seien solche Lösungen, weil sie Objektivit­ät verspreche­n, sagt Ortner.

Ein gutes Auswahlver­fahren sei aber auch in Zukunft „kein Hokuspokus“– noch immer könne man aus einer Mischung zwischen Lebenslauf, fachspezif­ischen Aufgaben und einem Gespräch die besten Aussagen über eine Besetzung treffen. „Multimetho­dalität wird auch durch Digitalisi­erung nicht übertrumpf­t werden.“

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