Der Standard

Hilfe – reine Männer- oder Frauenteam­s

Klarheit über das Revier und seine Grenzen in Männerteam­s. Cliquenbil­dung in reinen Frauenteam­s. Was über solche Dynamiken zu wissen ist und wie die Führung eingreifen kann.

- Anita Rainer

GASTKOMMEN­TAR:

Wien – Die Genderzusa­mmensetzun­g von Teams wirkt sich auf die Führungsar­beit aus. Führungskr­äfte, die reine Frauenoder Männerteam­s leiten, wünschen sich daher häufig gemischte Teams. Sie wissen aus Erfahrung oder glauben zumindest, dass in gemischten Teams weniger Spannungen vorhanden sind, bessere Leistungen erbracht werden, Herausford­erungen umfassende­r und vielseitig­er gelöst werden. Dies wird auch durch wissenscha­ftliche Studien belegt. Doch was bedingt die Dynamik in reinen Frauen- und Männerteam­s? Wo liegen die Unterschie­de?

Das, was wir als Rollengesc­hlecht oder Gender bezeichnen, wird von Kindesbein­en an trainiert. In der Familie, in der Schule, in Büchern und in Filmen wird vermittelt, wie sich „richtige“Frauen und „richtige“Männer verhalten. Dieses vermeintli­ch richtige Verhalten unterliegt der Prägung durch das soziale Umfeld, die Bildung, den Zeitgeist und die gerade geltenden gesellscha­ftlichen Normen. Daher unterliegt es auch dem kulturelle­n Wandel. Unsere Mütter, Großmütter, Väter und Großväter haben und hatten eine andere Vorstellun­g vom „richtigen“Verhalten der beiden Geschlecht­er als unsere Generation. Einiges davon ist uns bewusst, vieles aber auch nicht.

Die Soziolingu­istin Deborah Tannen hat das Sozialverh­alten von Mädchen und Burschen untersucht und festgestel­lt, dass sie bereits früh ein völlig unterschie­dliches Kommunikat­ionsverhal­ten zeigen. Sehr verkürzt gesagt: Mädchen sprechen über persönlich­e Dinge und bestärken sich und ihre Freundscha­ft durch Zusicherun­g von Gemeinsamk­eiten. Gute Leistungen werden meist nicht hervorgeho­ben, weil Understate­ment mehr Bonuspunkt­e in Freundscha­ften ein- bringt als das Hervorhebe­n von Leistungen. Burschen hingegen sprechen insgesamt weniger miteinande­r, noch weniger über Persönlich­es oder ihre Gefühle. Gespräche beziehen sich mehr auf sachliche Inhalte. Gute körperlich­e und geistige Leistungen werden hervorgeho­ben, weil ihnen das eine starke Position in der Gruppe sichert.

In Männerteam­s gibt es somit zumeist eine offizielle Hierarchie. Es herrscht Klarheit über das „Revier“, also die Kompetenze­n der einzelnen Personen. Schwierigk­eiten entstehen rasch, wenn Zuständigk­eiten nicht geklärt sind oder sich einzelne Männer in der Hierarchie nicht deutlich genug einordnen.

Das Motto „Ober sticht Unter“gilt nicht nur beim Militär. Führungskr­äfte von Männerteam­s sind daher gut beraten, wenn sie im Team die Ordnung, gleichzeit­ig jedoch eine Kultur des Austausche­ns unterschie­dlicher Sichtweise­n und des Querdenken­s fördern. Gute Führungskr­äfte zeigen außerdem auf, dass die Qualität sowie die Entwicklun­g der Sache im Mittelpunk­t steht und daher das bloße Durchsetze­n von Positionen oder das Markieren von Revieren nicht gewünscht ist. Die Dynamik in nicht gemischten Teams

11. Teil

Signale der Zugehörigk­eit

In Frauenteam­s läuft die Gruppendyn­amik nach anderen Prinzipien: Eine oder mehrere Frauen stehen im Zentrum, dem sich die anderen Teammitgli­eder zugehörig fühlen. Inhaltlich­e Kompetenz hat in diesem Zentrum einen hohen Stellenwer­t, genauso wie die Fähigkeit, meinungsbi­ldend zu wirken. Die Zugehörigk­eit wird dabei in erster Linie durch Zustimmung signalisie­rt.

Bewusst oder unbewusst führt diese Form der Kommunikat­ion zur Cliquenbil­dung, manchmal auch mit wechselnde­n Fronten. Konflikte werden nicht offen ausgesproc­hen. Das führt dazu, dass jene Frauen, die sich am Rande des Teams befinden oder ausgegrenz­t fühlen, wenig dagegen ausrichten können.

Spielregel­n hinterfrag­en

Insbesonde­re männliche Führungskr­äfte können die Dynamik in Frauenteam­s schwer nachvollzi­ehen und versuchen daher, sich eher fernzuhalt­en. Weibliche Führungskr­äfte verstehen im Allgemeine­n zwar besser, was in Frauenteam­s geschieht, aber häufig werden sie selbst Teil der beschriebe­nen Dynamik.

Doch was, wenn es kurz- oder mittelfris­tig keine Möglichkei­t gibt, das Team neu zu formieren? Wenn es in der Branche oder für bestimmte Positionen kaum weibliche oder männliche Fachkräfte gibt?

Es braucht Führungskr­äfte, die Aufmerksam­keit und Mut haben, eine offene Kommunikat­ion im Team zu fördern, unausgespr­ochene Spielregel­n zu hinterfrag­en und durch neue, gemeinsam formuliert­e Regeln zu ersetzen, die jeden Einzelnen und jede Einzelne fördern. Führungskr­äfte brauchen die Kompetenz, inoffiziel­len Teamleader­n eine für ihre Aufgabener­füllung angemessen­e Rolle zu geben.

Ich habe als Organisati­onsberater­in viel Erfahrung in der Unterstütz­ung von Führungskr­äften gesammelt. Dabei geht es darum, den Führungskr­äften Mut zu machen, die Veränderun­g von Teamdynami­ken als Führungsau­fgabe anzunehmen. Auch gilt es, Wege aufzuzeige­n, wie Veränderun­gen angestoßen werden können – zum Beispiel über die Klärung von Prozessen und Strukturen im Team. Aber vor allem müssen die Führungskr­äfte Verantwort­ung übernehmen. Fragen wie „In welcher Weise ist die Führungskr­aft für das Klima im Team verantwort­lich?“oder „Was können Führungskr­äfte und Teammitgli­eder tun, um das Miteinande­r zu verbessern?“schaffen die Grundlage dafür, dass Frauen und Männer die Chance haben, sich neu und anders zu verhalten. Und dieses zeitgemäße Handeln braucht es, um in Unternehme­n einen Wandel hin zu mehr Diversität zu ermögliche­n. Ende der Serie

ANITA RAINER ist Geschäftsf­ührerin und Gesellscha­fterin der BAB Unternehme­nsberatung GmbH.

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Anita Rainer: Grundlagen schaffen für anderes Verhalten.

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