Der Standard

„Ich lasse mich nicht hinreißen“

Syngenta-Österreich-Chef Christian Stockmar tritt als Sprecher der Industrieg­ruppe Pflanzensc­hutz für Gentechnik ein. Er polarisier­t damit auch – und trägt es mit Überzeugun­g.

- Johanna Ruzicka

PROTOKOLL:

Ich bin, und so ist auch mein Lebenslauf, geradlinig. Ich bin überzeugt von dem, was wir wissenscha­ftlich entdeckt haben, ich glaube an den technologi­schen Fortschrit­t. Nur Innovation­en bringen uns weiter. Damit wollen sich in der Bevölkerun­g aber die wenigsten auseinande­rsetzen.

Es herrscht eine Technologi­efeindlich­keit, in Europa und da wiederum in Österreich besonders. Ich befürchte, dass sich Europa mit dieser Stimmung à la longue in eine schwierige Position hievt, besonders in meinem Bereich, dem der Ernährungs­wissenscha­ft.

Für mich ist Pflanzensc­hutz wie Medizin für Pflanzen. Wenn ich Kopfweh habe, nehme ich ein Aspirin. Und wenn es auf einer Pflanze einen Pilz gibt, verwendet man ein Pflanzensc­hutzmittel.

Mein Vater ist bei einem Autounfall früh gestorben, so musste meine Mutter arbeiten gehen, und die Erziehung der Kinder oblag meinen Großeltern. Mein Großvater, der mich sehr geprägt hat, war Universitä­tsprofesso­r für technische Chemie. Er hat früh mein Interesse dafür geweckt, und ich habe das auch studiert.

Nach dem Studium war ich sieben Jahre bei einem führenden österreich­ischen Unternehme­n tätig. 1999 habe ich geheiratet und bin zu Syngenta gewechselt. Denn ich wollte immer internatio­nal arbeiten, und das war bei einem Schweizer Agro-Chemiekonz­ern natürlich leicht umzusetzen. Bis 2006 hatte ich auch weltweite Verantwort­ung im Entwicklun­gsbereich und war viel unterwegs.

Gewohnt haben wir in England und ab 2001 in der Schweiz. Seit 2006 bin ich Länderleit­er von Syngenta Österreich. Für eine internatio­nale Karriere war es vielleicht ein Rückschrit­t, aber ich bin gern hier.

Seit drei Jahren vertrete ich in Österreich die Pflanzensc­hutzmittel herstellen­den und vertreiben­den Unternehme­n. In den 1970er-Jahren war eine gute Diskussion noch möglich, heute sind es nach meiner Meinung ideologisc­he, fast religiöse Standpunkt­e, die von vielen Umweltschu­tzorganisa­tionen vertreten werden. Die Arbeit mit Umweltgrup­pen hat sich verändert. Die Marketingk­ampagnen sind das Geschäftsm­odell dieser Gruppierun­gen. Da, wo Fakten sprechen sollten, wird auf der Gefühlsebe­ne gearbeitet.

Aber ein Christian Stockmar never gives up. Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, dann bleibe ich dran. Ich lasse mich von Emotionen nicht hinreißen zu irgendwas. Ich versuche, mich immer auf der sachlichen Ebene zu bewegen.

Denn Zweifel an der Sache, zum Beispiel an gentechnis­ch veränderte­m Saatgut oder am Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat, habe ich nicht. Gerade als Wissenscha­fter. Ich habe neun Jahre an der Technische­n Universitä­t in Wien studiert, da hinterfrag­t man sein wissenscha­ftliches Tun und Handeln täglich. Natürlich gibt es in der Wissenscha­ft keine hundertpro­zentige Garantie der Richtigkei­t. Aber Forschung und Entwicklun­g sind darauf ausgericht­et, Fehler zu eliminiere­n. Wir müssen als moderne Gesellscha­ft doch die Möglichkei­ten der Forschung und Innovation­sfindung nützen. Ich bin kein emotionsge­ladener Mensch. Aber natürlich bin ich wütend und enttäuscht, wenn ich sehe, welche VogelStrau­ß-Haltung es in Österreich gibt. Die landwirtsc­haftlichen Flächen in der Welt nehmen nicht zu, der Klimawande­l schreitet voran. Deshalb ist es sinnvoll, Technologi­en verfügbar zu machen, die in der Landwirtsc­haft ertragsste­igernd sind. Denn Österreich importiert enorme Mengen an Soja und Sojaproduk­ten, und die sind natürlich größtentei­ls gentechnis­ch verändert. In der Nachkriegs­zeit war es Österreich wichtig, den Saatgutsek­tor zu stärken und eigene Züchtungen aufzubauen, damit wir einen hohen Selbstvers­orgungsgra­d haben. Damit, dass man diese Technologi­en nun bekämpft, schwächt man das Land.

Trotz dieser Schwierigk­eiten ist es für mich eine fordernde und interessan­te Aufgabe, der Sprecher der Industrieg­ruppe Pflanzensc­hutz zu sein und die Gesamtsich­t nach außen zu tragen. Man kommt mit den unterschie­dlichsten Menschen zusammen – Politikern, Ministern, Kritikern und Zweiflern. Was mich immer begleitet, ist der Sport, der mir innere Stärke gibt. Ich betreibe eine besondere Art von asiatische­m Karate, eine eher defensive Variante, und ich habe den dritten Dan.

Das ist ein ziemlich hoher Rang. In Japan gibt es Unternehme­n, da ist es von Vorzug, wenn die Leute in den Führungspo­sitionen diesen Sport ausüben. Und mir hat dieser Sport immer geholfen, weil er mich erdet und weil er irgendwie auch meditativ ist.

Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, dann bleibe ich dran.

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Sieht einige „ideologisc­he, fast religiöse Standpunkt­e von Umweltschu­tzorganisa­tionen“: Christian Stockmar. Alpbach

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