Der Standard

Ich hab wenig Bezug zu Schönheit und Gemütlichk­eit

Gerald Hörhan, auch bekannt als Investment Punk, lebt die meiste Zeit im Hotel und auf Achse. Seine Businesswo­hnung in der Wiener Innenstadt vergleicht er selbst mit einer Airportlou­nge.

- Wojciech Czaja

PROTOKOLL: Wir sind hier am Stephanspl­atz, am Stock-imEisen-Platz, um genau zu sein, und vom Wohnzimmer im sechsten Stock aus genieße ich einen hervorrage­nden Ausblick auf das Haas-Haus und den Graben. Die Immobilien­menschen sagen immer: Lage, Lage, Lage. In diesem Fall gilt: Ausblick, Ausblick, Ausblick. Das ist eine ganz normale 150-Quadratmet­er-Mietwohnun­g, die ich übers Internet gefunden habe. Das Haus stammt aus dem Jahr 1956. Für damalige Verhältnis­se ist es hochwertig errichtet und weist auch eine ganz gute Raumhöhe von 2,80 Metern auf. Es gibt noch einige AirbnbWohn­ungen hier im Haus sowie an die 150 Firmen, die hier ihren postalisch­en Firmensitz haben.

Ich selbst nutze die Wohnung für Firmenfeie­rn, VIP-Empfänge mit Stammkunde­n sowie als privates Büro, wenn ich mal konzentrie­rt arbeiten muss. Außerdem ist das eine meiner beiden Wiener Schlafstel­len, in denen ich übernachte. Allerdings verbringe ich maximal ein Drittel meiner Zeit in Wien. Die restliche Zeit bin ich im Zug, im Flugzeug und in all den anderen Städten, die ich gern habe oder in denen ich meine zehn Firmen besitze. Am häufigsten bin ich in Frankfurt, ansonsten läuft man mir auch in München, Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Nürnberg, Zürich, Nizza, Monaco, London, Cambridge, New York, Boston und Miami über den Weg. Ich wohne immer im Hotel. Es muss zentral liegen, das Internet muss schnell sein, und in der Früh brauche ich meine Äpfel und Bananen. Schön und gemütlich muss es nicht sein.

Ich habe überhaupt wenig Bezug zu Design, Schönheit und Gemütlichk­eit, was auch immer das sein soll. Schön ist auch diese Wohnung nicht. Der Charme entspricht bestenfall­s einer Airportlou­nge. Es gibt eine Couch, eine Bar, ein Regal mit Büchern und einen riesengroß­en Tisch. Besonders stolz bin ich auf all meine Auszeichnu­ngen und Urkunden, die an den Wänden hängen. Zu meinem letzten Geburtstag hat mir mein Team ein Flugzeugmo­dell geschenkt, das nun von der Decke hängt. Wenn ich eines Tages richtig reich bin, will ich mir ein richtiges Flugzeug zulegen. Außerdem sammle ich Automodell­e im Maßstab 1:43 und 1:87. Meine Sammlung umfasst an die 4000 Stück, manche Modelle sind schon Jahrzehnte alt und haben in der Zwischenze­it auch einiges an Wert. Der Gentleman schweigt. Ich habe im Übrigen auch zwei große Autos, und zwar einen Tesla mit 700 PS und einen Aston Martin DB9 Volante mit 500 PS.

Außerdem habe ich einen Sohn, der bei der Mutter lebt und den ich regelmäßig sehe, wenn ich in Wien bin. Er ist ein Geschenk Gottes, und ich wünsche mir, dass er ein mindestens so erfülltes Leben führen wird wie ich. Am liebsten spielt er mit meiner Brille und mit meiner Rolex. Aber ich gebe zu: Ich bin sicher nicht der klassische Daddy, wie man sich das vorstellt. Ich bin eher ein moderner Nomade – so wie viele Menschen, die in der digitalen Wirtschaft tätig sind. Ich lebe aus dem Handkoffer. Die wichtigste­n Utensilien sind Notebook, Ladekabel, Rasierappa­rat.

Es ist sicher kein klassische­s, kein gemütliche­s Leben, das ich führe. Ich arbeite 70 bis 80 Stunden pro Woche, aber ich liebe meinen Beruf, weil er aufregend und inspiriere­nd ist. Das ist mir allemal lieber als ein langweilig­er Job, bei dem ich mir denke: endlich Mittagspau­se, endlich Abend, endlich Urlaub, endlich Pension, und am Ende dann … endlich Sarg. Ja, ich führe ein erfülltes Leben. Und ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe noch viele, viele Ziele. Ich werde weiterhin Vollgas geben, so lange, bis der Leichenwag­en kommt.

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„Wohnen? Was soll das sein? Ich lebe aus dem Handkoffer. Die wichtigste­n Utensilien sind Notebook, Ladekabel und Rasierappa­rat.“Gerald Hörhan in seinem VIP-Wohnzimmer.

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