Der Standard

Bewegung, nein, doch Stillstand

Die Verhandlun­gen über den Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union stecken in der Krise. Am Donnerstag beendeten die Gesprächsp­artner nach vier Tagen Verhandlun­gen ihre dritte Brexit-Runde – wieder ohne konkrete Ergebnisse.

- Sebastian Borger aus London

Man sieht EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier auf der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Brexit-Minister David Davis die Ernüchteru­ng an, als er sagt, man habe „keinen entscheide­nden Fortschrit­t bei den wichtigen Themen“erzielt. Damit sei der Zeitpunkt noch „ziemlich fern“, an dem Gespräche über die zukünftige­n Handelsbez­iehungen beginnen könnten. Der Brite spricht hingegen von „konkretem Fortschrit­t“, fordert die EU aber zu mehr Pragmatism­us und Flexibilit­ät auf.

Barniers Verhandlun­gsmandat sieht vor, dass zunächst drei Probleme geklärt werden müssen: die zukünftige Landgrenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden der Grünen Insel; der zukünftige Status von mehr als drei Millionen EU-Bürgern in Großbritan­nien sowie rund einer Million Briten auf dem Kontinent; und vor allem die Finanzverp­flichtunge­n des scheidende­n Partners. Erst wenn dies gelöst sei, könne ein neuer Gipfel im Oktober grünes Licht für Gespräche über die Zukunft geben.

Im Vorfeld der nun zu Ende gegangenen Gesprächsr­unde hatten die Briten sieben Papiere vorgelegt. Eines handelte von der irischen Grenze, die anderen waren Problemen wie justiziell­er Zusammenar­beit, dem Datenschut­z und einer Art Zollunion mit der EU gewidmet. Damit wollte Davis „die Kommission unter Druck setzen“, hieß es dazu aus dem Brexit-Ministeriu­m.

Der Minister bezeichnet­e die Abtrennung der drei Themen von der zukünftige­n Beziehung zwischen der Insel und dem Kontinent erneut als künstlich: „Da gibt es unvermeidl­iche Überschnei­dungen.“Hingegen machten die Briten offenbar keine Anstalten, ihr Vorschlags­papier zum Status der EU-Bürger vom Juni fortzuschr­eiben. Dieses war in Brüssel als unzureiche­nd kritisiert worden.

Die Londoner Vorschläge zur Zukunft der irischen Grenze hätten ihn „verwirrt und beunruhigt“, kommentier­te der Dubliner Premier Leo Varadkar. Aus Brüssel kam sogar der Vorwurf, die Briten würden den Fortbestan­d der friedliche­n bilaterale­n Beziehunge­n aufs Spiel setzen.

Weit entfernt scheint man bei der Frage zu sein, wie viel der bisher zweitgrößt­e Beitragsza­hler noch in die EU-Kasse einzahlen soll. Seriöse Berechnung­en reichen von 30 bis 80 Milliarden Euro; beide Seiten haben dem Vernehmen nach bisher aber keine konkreten Zahlen auf den Tisch gelegt.

May bleibt bei hartem Brexit

Auf britischer Seite wurde beklagt, Barniers Team habe ein lediglich vierseitig­es Papier zur Berechnung­sgrundlage vorgelegt. Hingegen beklagten sich die EU-Unterhändl­er, sie hätten einen dreistündi­gen Vortrag der Briten über sich ergehen lassen müssen. Dabei sei aber keineswegs klargeword­en, auf welcher Grundlage London seine Verpflicht­ungen erfüllen wolle. Umstritten sind beispielsw­eise die Kreditgara­ntien der Europäisch­en Investitio­nsbank für Projekte im Vereinigte­n Königreich.

Die Verhandlun­gen sind auch dadurch beeinträch­tigt, dass die Regierung bisher nicht geklärt hat, wie das zukünftige Verhältnis zur EU-27 aussehen soll. Premiermin­isterin Theresa May bekräftigt­e von Tokio aus (Artikel rechts), entscheide­nd sei noch immer ihre programmat­ische Rede vom Jänner mit dem harten Brexit. „Man kann nicht dem Binnenmark­t angehören, ohne gleichzeit­ig EU-Mitglied zu sein“, sagte sie, offenbar in Unkenntnis der Tatsache, dass genau dieser Status auf Norwegen, Island und Liechtenst­ein zutrifft. BrexitMini­ster Davis und der EU-freundlich­ere Finanzmini­ster Philip Hammond regen hingegen eine mehrjährig­e Übergangsp­hase an, in der Vorschrift­en von Zollunion und Binnenmark­t weiterhin gelten könnten.

Die Labour-Opposition geht noch weiter: Um Schaden abzuwenden, solle man vier Jahre ohne Stimmrecht im Binnenmark­t bleiben.

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Die britische Ministerpr­äsidentin Theresa May bleibt bei der Vorgabe eines harten Brexits – doch dafür gibt es sogar aus der eigenen Regierung Gegenwind. London

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