Der Standard

Schmutzig ist der Wahlkampf vor allem im Netz

Die gegenseiti­gen Vorwürfe des „Dirty Campaignin­g“von SPÖ und ÖVP sind übertriebe­n, US-amerikanis­che Verhältnis­se noch lange nicht erreicht. Auf Facebook geht es dennoch dreckig zu.

- Lisa Kogelnik

Es ist ein Bild, das man noch nicht gesehen hat: Christian Kern und Sebastian Kurz liegen einander in den Armen. Darunter steht: „Das Traumpaar: Der Schweigeka­nzler und der Marionette­n-Basti.“

Das Foto wurde natürlich manipulier­t, die Köpfe von Kanzler Kern (SPÖ) und seinem Herausford­erer Kurz (ÖVP) auf andere Körper montiert. Veröffentl­icht wurde das Bild auf der FacebookSe­ite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“, über 5000 Personen haben darauf reagiert, mehr als 1200 haben es geteilt.

Vor allem das Netz ist in diesem Wahlkampf Spielwiese für Negative und Dirty Campaignin­g geworden. Noch nie waren so viele Fanpages in dem Bereich aktiv, sagt Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig zum STANDARD: „Derzeit sind anonyme Fanpages ein populärer Trick.“Dort werden angriffige und hämische Postings über die Kandidaten veröffentl­icht. Das Praktische: Es ist nicht nachvollzi­ehbar, wer diese Seiten betreibt.

Auffällig ist dabei der Begriff „Wahrheit“, der von links wie rechts gerne verwendet wird und laut Brodnig für Nutzer bereits ein Warnsignal dafür ist, dass es sich um keine seriöse Quelle handelt.

Aktuell sehr aktiv sind die erwähnte Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“und die Fanpage „Die Wahrheit über Christian Kern“. Beide stammen eher aus dem rechten Milieu, wie Brodnig sagt. Das lässt sich über die diversen Sujets feststelle­n. So wird etwa der ungarische Milliardär und Jude George Soros als „Einflüster­er“von Kurz bezeichnet – ein antisemiti­sches Erzählmust­er. Geteilt hat dieses Posting Johann Gudenus, Wiener FPÖ-Vizebürger­meister. Das beweise aber noch nicht, dass die FPÖ die Seite betreibt, sagt Brodnig. „Ein Naheverhäl­tnis zur jeweiligen Partei würde mich nicht überrasche­n.“

Häme auch von links

Auch von linksliber­aler Seite gibt es zwei derartige Fanpages, die allerdings schon vor dem aktuellen Wahlkampf aktiv waren. „Die Freunde der Wahrheit“verbreitet­en vor allem Häme über Norbert Hofer, als dieser für die FPÖ bei der Bundespräs­identenwah­l antrat. Die „Blutgruppe HC Negativ“macht sich über FPÖChef Heinz-Christian Strache lustig. Bereits für viel Aufmerksam­keit im Wahlkampf hat die Seite „Wir für Sebastian Kurz“gesorgt, obwohl sie im Vergleich wenige Fans hat.

Die Seite ist sehr islamkriti­sch und lässt etwa darüber abstimmen, ob der Islam zu Österreich gehört. ÖVP und SPÖ haben sich wechselsei­tig vorgeworfe­n, die Seite zu betreiben. Die Volksparte­i teilte im Juli mit, sie habe die Löschung beantragt. Sie ist allerdings noch immer online. „Es gibt noch keine finale und zufriedens­tellende Entscheidu­ng von Facebook. Wir beharren weiterhin auf der Löschung“, heißt es aus der Parteizent­rale. Auf Anfrage des STANDARD wollte Facebook sich weder dazu äußern, ob die Löschung tatsächlic­h beantragt wurde, noch, wer die Seite betreibt.

Mit dem Vorwurf des Dirty Campaignin­g sind SPÖ und ÖVP im aktuellen Wahlkampf jedenfalls besonders schnell. ÖVP-Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger etwa warf der SPÖ Dirty Campaignin­g vor, nachdem SPÖBundges­chäftsführ­er Georg Niedermühl­bichler Kurz als „asozial“bezeichnet hatte.

Die Großpartei­en würden jetzt schon die Dirty-Campaignin­gKeule auspacken, um eventuelle Attacken im späteren Wahlkampf zu vermeiden, sagt Politikber­ater Thomas Hofer zum STANDARD. Und: Man unterstell­e dem ande- ren präventiv dreckiges Verhalten und hoffe, „dass irgendwas hängenblei­bt“. Es sei jedenfalls „lächerlich“, bei jeder kritischen Pressausse­ndung gleich von Dirty Campaignin­g zu sprechen (zur Definition siehe Wissen).

Dabei war der Wahlkampf abseits der anonymen Aktivitäte­n im Internet mit nicht allzu großer Reichweite bisher recht sauber. „Ich will das, was in den sozialen Netzwerken passiert, nicht kleinreden“, sagt Hofer. „Aber im großen Stil ist das nicht wahrnehmba­r. Das kann aber noch werden.“

Von USA weit entfernt

Mit US-amerikanis­chen Verhältnis­sen habe der Wahlkampf in Österreich jedenfalls nichts zu tun, sagt Kampagnenb­erater Yussi Pick, der im vergangene­n USWahlkamp­f im digitalen Team der demokratis­chen Kandidatin Hillary Clinton gearbeitet hat. „Davon sind wir weit entfernt.“In Österreich könnten Politiker selbst entscheide­n, ob sie ihr Privatlebe­n öffentlich machen. In den USA sei das nicht möglich, und wenn die Familie nicht der erwarteten heilen Welt entspreche, dann würde das die Gegenseite ausnützen.

Hierzuland­e seien die Methoden, die beim letzten US-Wahlkampf angewandt wurden, zudem unvorstell­bar. Mutmaßlich aus dem Umfeld des heutigen Präsidente­n Donald Trump seien etwa Flugblätte­r mit falschen Wahlzeiten verteilt worden, um unliebsame Wähler an der Stimmabgab­e zu hindern.

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Die Seite „Wir für Sebastian Kurz“macht Stimmung gegen SPÖ-Chef Christian Kern, die „Blutgruppe HC Negativ“gegen die FPÖ, die Seite „Wahrheit über Sebastian Kurz“stellt den ÖVP-Obmann als Schoßhund des ehemaligen Kanzlers Wolfgang Schüssel dar.
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