Der Standard

KOPF DES TAGES

Moskaus Mann für den frostigen Neustart

- Manuel Escher

Hätten die Umfragen gestimmt, wäre er schon längst auf dem Posten. Denn als man im Kreml Mitte 2016 noch glaubte, Hillary Clinton werde die nächste US-Präsidenti­n, stand die Nominierun­g Anatoli Iwanowitsc­h Antonows als Botschafte­r in den USA fast fest. Dann kam es anders: Donald Trump gewann – und plötzlich zögerte Russland, den Posten mit dem 62-Jährigen, der als erfahrener Hardliner gilt, zu besetzten.

Mittlerwei­le ist klar: Moskauer Hoffnungen auf mehr Wärme aus Washington haben sich zerschlage­n. Auch wenn Trump noch immer den Eindruck erweckt, sein russisches Gegenüber Wladimir Putin nicht kritisiere­n zu wollen: Der Kongress und sein Kabinett haben den Spielraum des Staatsober­haupts so eingeschrä­nkt, dass Tauwetter unwahrsche­inlich ist.

Zumindest für den Militärspe­zialisten aus Omsk ist das ein Glücksfall: Er kann seit dem heutigen Septemberb­eginn seine Karriere im Außen- und im Verteidigu­ngsamt mit dem prestigetr­ächtigen Botschafte­rposten krönen.

Außer Zweifel steht, dass er dem Druck, den der Posten mit sich bringt, standhalte­n kann. Antonow hat schon viele Verhandlun­gsrunden mit westlichen Staaten geführt, meistens zur Kontrolle nuklearer, biologisch­er und chemischer Waffen – jenem Thema also, auf das er sich nach dem Studium am sowjetisch­en Institut für Internatio­nale Beziehunge­n 1978 in Moskau spezialisi­ert hat.

Sein Ruf als Hardliner kommt aus diesen Verhandlun­gsrunden – und aus der Zeit danach, die er im Verteidigu­ngsressort zubrachte, betraut mit der Aufgabe, die Koordinati­on zum Außenamt zu leiten. In dieser Funktion verhandelt­e er mit den USA über eine Zusammenar­beit gegen Jihadisten­milizen in Syrien, die letztlich scheiterte. Oft zog er auch vor die Medien, um Moskaus Ukraine-Politik zu verteidige­n. Dass er wegen Beteiligun­g an der Krim-Annexion mit EUSanktion­en belegt wurde, nennt er „komisch, lachhaft und dumm“.

Antonow wiederhole die Botschaftt­en des Kreml über eine Bedrohung durch den Westen nicht nur, er glaube fest daran, sagen jene, die ihn kennen. Möglich ist dennoch, dass der Vater einer Tochter, der neben Englisch auch Burmesisch fließend spricht, die Befürchtun­gen Lügen straft. In seiner Anhörung vor der Duma betonte er, wie sehr sich die Interessen Russlands und der USA überlappte­n, besonders im Kampf gegen den radikalen Islamismus. Das wird Donald Trump gerne hören: Immerhin könnte er es auch selbst gesagt haben.

 ?? Foto: AP ?? Anatoli Antonow ist neuer Botschafte­r Russlands in Washington.
Foto: AP Anatoli Antonow ist neuer Botschafte­r Russlands in Washington.

Newspapers in German

Newspapers from Austria