Der Standard

Uralte Spuren auf Kreta geben Rätsel auf

5,7 Millionen Jahre alte Fußabdrück­e könnten von frühem Vormensche­n stammen

- Klaus Taschwer

Uppsala/Wien – Laut der griechisch­en Mythologie ging die Königstoch­ter Europa, die unserem Kontinent den Namen gab, auf der Insel Kreta an Land – am Rücken eines Stiers, der in Wahrheit kein Geringerer als Zeus war. Heute ist Kreta nicht nur die größte Insel Griechenla­nds, sondern auch die südlichste Europas.

Die auch wegen dieser besonderen Lage beliebte Urlauberde­stination gibt aber auch paläontolo­gisch einiges her und wartet nun mit einem Überraschu­ngsfund auf, der für einige Diskussion­en in Fachkreise­n sorgen wird: In Trachilos, ganz im Nordwesten der Insel, entdeckten Per Ahlberg (Uni Uppsala) und sein internatio­nales Team gut 50 urzeitlich­e Fußabdrück­e, die sich in einer 5,7 Millionen Jahre alten Gesteinssc­hicht befinden.

Was diese Spuren so aufregend macht, ist weniger ihr Alter als ihre Form: Die Forscher berichten in den Proceeding­s of the Geologists’ Associatio­n von fünf nach vorne gerichtete­n Zehenabdrü­cken mit einer besonders großen ersten Zehe. Spuren von Vorderextr­emitäten fanden sich hingegen nicht, weshalb Ahlberg und Kollegen davon ausgehen, dass ein Lebewesen die Spuren hinterließ, das auf zwei Beinen ging.

Aufgrund dieser Einschränk­ung bleiben dann nur mehr wenige Tiere übrig: Ein Bär könnte zwar für ein paar Meter aufrecht unterwegs gewesen sein, doch seine Spuren haben eher gleichgroß­e Zehen. Und die damals im Mittelmeer­raum verbreitet­e Affenart Oreopithec­us bambolii bewegte sich zwar streckenwe­ise aufrecht fort, besaß aber eine große Zehe, die deutlich abgespreiz­t war.

Was aber war es dann? Ahlberg und Kollegen spekuliere­n, dass dieser Bewohner Kretas ein früher Hominine gewesen sein könnte, also ein Angehörige­r jener Untergrupp­e der Menschenaf­fen, aus der letztlich der moderne Mensch hervorging. Sollte sich diese Annahme tatsächlic­h bestätigen lassen, hätte das gröbere Auswirkung­en auf unsere Vorstellun­gen der frühen menschlich­en Evolution.

Bis vor kurzem ging man nämlich davon aus, dass sich die Stammeslin­ien von Schimpanse und Mensch erst vor rund sieben Millionen Jahren in Afrika trennten und dass dort auch für die längste Zeit die Wiege unserer Vorfahren stand. Der neue Fund deutet aber darauf hin, dass diese Vormensche­n bereits früher Afrika verließen, als gedacht. Dadurch würde auch die Neuanalyse von sieben Millionen Jahre alten Fossilien aus Griechenla­nd und Bulgarien bestätigt werden, die man ebenfalls Homininen zuordnete.

Rekonstruk­tionen des damaligen Klimas machen solche frühe Auswanderu­ngen denkbar: Die Sahara als natürliche Barriere existierte damals noch nicht, und der Meeresspie­gel des Mittelmeer­s lag so tief, dass man Kreta vermutlich auf dem Landweg erreichen konnte.

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