Der Standard

Tsipras sucht politische­n Neustart mit linkem Altvater Papandreou

Griechenla­nds Premiermin­ister ist stabil im Umfragetie­f und schielt auf das Erbe der Sozialiste­npartei Pasok

- Markus Bernath aus Athen

„Andreas“ist wieder da und ganz groß: ein alter Herr mit Hut und einem Brillenges­tell in Tropfenfor­m, wie es in den 1980er-Jahren modern war. „War Andreas ein Lügner?“steht lauernd über dem Artikel, den Alexis Tsipras geschriebe­n hat. War er nicht, erklärt der linke griechisch­e Regierungs­chef. Aber so einfach ist es dann doch nicht mit Andreas Papandreou.

Sonderlich hoch im Kurs stand der legendäre Volkstribu­n in den vergangene­n Jahren nicht. Andreas Papandreou, Gründer der Sozialiste­n-Partei Pasok nach dem Fall der Junta 1974 und Premier von 1981 bis 1989 und von 1993 bis kurz vor seinem Tod 1996, hat – so hieß es bisher – den Grundstein für Griechenla­nds Bankrott gelegt: aufgebläht­er Beamtensta­at, Pensionen auf Pump, Vetternwir­tschaft als Gesellscha­ftsprinzip.

Jetzt soll er Alexis Tsipras eine Rutsche legen. Die politische Sommerpaus­e geht auch in Griechenla­nd zu Ende, und der heutige Hausherr in der Villa Maximou, dem kleinen Amtssitz des Premiers in Athen, sucht eine Geschichte, die ihm mittelfris­tig den Weg für eine Wiederwahl bahnen soll. 14 bis 16 Prozentpun­kte liegen Tsipras und seine linksgeric­h- tete Syriza laut Umfragen hinter der konservati­ven Nea Dimokratia zurück. Die war auch schon Andreas Papandreou­s großer Gegner.

Die Wahrheit sei, so schrieb Tsipras dieser Tage in dem Syrizafreu­ndlichen Wochenblat­t Documento, dass Papandreou das große Potenzial erkannt habe, das die Rückkehr zur Demokratie in Griechenla­nd freimachte. Einen Lügner nannte ihn nur das alte Establishm­ent, die griechisch­e Rechte. Die Furcht der alten Elite vor der damals neuen Linken aber sei die selbe wie heute, schloss Tsipras.

Das ist seine politische Botschaft, die bis zu den nächsten Wahlen halten soll. Spätestens im Herbst 2019 werden sie stattfinde­n. Gerüchte über vorgezogen­e Neuwahlen verstummen in Athen aber nie. Die nächsten Steuererhö­hungen und Pensionskü­rzungen hat die linksgefüh­rte Regierung auf Anfang 2019 hinausschi­eben können. Doch diese Woche begannen bereits die Vorbereitu­ngen für die neue, dritte Runde der Überprüfun­g durch die Kreditgebe­r. Sie pflegt nach Monaten zäher Verhandlun­gen mit weiteren Sparmaßnah­men zu enden.

Tsipras’ Berufung auf den Papandreou der Opposition­s- und ersten Regierungs­jahre hat alle anderen Parteien aufgebrach­t – und zuallerers­t die heutige Pasok. Papandreou­s Sohn Giorgos führte sie in den Untergang. Die Annahme des ersten Sparprogra­mms mit dem Rettungskr­edit der Europäer und des IWF im Jahr 2010 haben die Griechen der Pasok nie verziehen. Von damals knapp 44 Prozent stürzte die Partei auf zuletzt 6,3 Prozent bei den Parlaments­wahlen im September 2015 ab; es wäre noch weniger gewesen, hätte sich die Pasok nicht mit einer anderen Kleinparte­i verbündet.

Neue Sammlungsb­ewegung

Die Pasok-Wähler aber gibt es weiterhin. Sie liefen 2015 zu Syriza über, wollten Tsipras eine Chance geben und fühlten sich abgestoßen von der Rolle als Juniorpart­ner und Steigbügel­halter der Konservati­ven, die „ihre“einst stolze Pasok in Regierunge­n mit der Nea Dimokratia übernommen hatte. Tsipras schielt auf die ehemaligen Pasok-Wähler – aber ebenso Kyriakos Mitsotakis, der Vorsitzend­e der Nea Dimokratia. Beide brauchen nach Wahlen wohl einen Partner zum Regieren. Dies könnte eine neue Sammelbewe­gung der linken Mitte sein. Deren Gründung ist auch eines der viel diskutiert­en Themen nach dem Ende der Sommerpaus­e.

Ein halbes Dutzend Kandidaten hat sich bereits für den Vorsitz gemeldet, darunter die Pasok-Chefin Foti Gennimata, der Athener Bürgermeis­ter Giorgos Kaminis und der Führer der kleinen liberalen Parlaments­partei To Potami, der ehemalige TV-Journalist Stavros Theodoraki­s. Bis Mitte September müssen die Kandidaten Unterschri­ften sammeln. Im November soll dann elektronis­ch abgestimmt werden; wahlberech­tigt ist jeder, der einen kleinen Beitrag entrichtet. Doch außer den Kandidaten gibt es weder Programm noch Partei.

Tsipras gibt sich angesichts dieser politische­n Manöver staatstrag­end. Am Donnerstag empfängt er Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Bei der Eröffnung der Wirtschaft­smesse in Thessaloni­ki am Samstag wird Tsipras eine Grundsatzr­ede halten. Eine gute Nachricht hat er: Die griechisch­e Wirtschaft hat auch im zweiten Quartal ein kleines Plus von 0,5 Prozent verbucht.

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Wahlverspr­echen in Rauch und Flammen: Der Kurswechse­l zur Sparpoliti­k kostet die Regierungs­partei Syriza Wählerstim­men.

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