Der Standard

Abschied von Bundestags­dinosaurie­rn

Kehraus im Deutschen Bundestag: Bei der letzten Plenarsitz­ung vor der Wahl kam es noch einmal zu heftigem Schlagabta­usch, aber auch zu emotionale­n Abschiedsw­orten. Viele prominente Abgeordnet­e werden nach dem 24. September nicht mehr dabei sein.

- Birgit Baumann aus Berlin

Man hat mit Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) viel lachen können. Zwölf Jahre lang saß er dem Parlament vor, oft meldete er sich mit beißender Ironie zu Wort. Am Dienstag aber ringt er bei der letzten Sitzung dieser Legislatur­periode um Fassung, als er den Abgeordnet­en noch einen letzten Rat mitgibt.

„Bewahren Sie sich nach unseren Abstürzen in der Geschichte, dass die Demokratie wichtiger ist als die Ansichten mancher Fundamenta­listen“, sagt Lammert, und jeder weiß, wer gemeint ist. Nach der Wahl wird höchstwahr­scheinlich AfD im Bundestag sitzen.

Doch es gibt auch vergnüglic­he Abschiedsw­orte. So lobt Gregor Gysi (Linke), dass Lammert immer auch die Rechte der Opposition geachtet habe. Und er rät ihm: „Sie müssen bewusst das Alter genießen. Und reden Sie bloß nicht so viel über Krankheite­n.“

Lammert (68) und Gysi (69) werden dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Lammert hört nach 37 Jahren auf, Gysi nach insgesamt 22. Sie sind nicht die Einzigen, es verlassen noch mehr „Dinosaurie­r“, die jahrzehnte­lang die Politik mitgeprägt haben, das deutsche Parlament.

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Einer von ihnen ist der Grüne Hans-Christian Ströbele (78), der 32 Jahre lang dabei war und Geschichte schrieb. 2002 holte er in Berlin-Friedrichs­hain/Kreuzberg das erste Direktmand­at für die Grünen.

Im Wahlkampf hatte der ehemalige RAF-Anwalt „Ströbele wählen heißt Fischer quälen“plakatiert. Damals regierte Rot-Grün, und Ströbele war oft mit dem Pragmatism­us des grünen Außenminis­ters Joschka Fischer nicht einverstan­den.

Auch die Unionsfrak­tion wird einen Rebell weniger in ihren Reihen haben: Wolfgang Bosbach (65), der seit 1994 Abgeordnet­er war. Der Innenexper­te und deutschlan­dweit bekannte „Talkshow-König“verzichtet­e nicht nur wegen seiner Krebserkra­nkung auf eine neuerliche Kandidatur, sondern er hat auch von Kanzlerin Angela Merkel genug.

„Die CDU hat in wichtigen Fragen Kurskorrek­turen vorgenomme­n, die ich nicht mehr vertreten kann“, erklärt er. In vielen Grundsatzf­ragen – Milliarden­hilfen für Griechenla­nd oder offene Grenzen – stellte er sich bei Abstimmung­en gegen Merkel.

Es geht aber auch eine, deren Aufgabe die Vermittlun­g war, nämliche jene zwischen Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Letzte Plenarsitz­ung im Parlament Horst Seehofer (CSU): Gerda Hasselfeld­t (67), die ihr Mandat seit 1987 hatte. Seit 2011 war sie Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag und musste vor allem während der Flüchtling­skrise oft ausgleiche­n, indem sie versuchte, so manches harte Wort von Seehofer zu relativier­en.

Der Älteste ist 81 Jahre

Wenn der neue Bundestag zusammenko­mmt, werden viele auch an Heinz Riesenhube­r (CDU) denken. Er war mit 81 Jahren der älteste Abgeordnet­e, er saß 41 Jahre im Bundestag. 2009 und 2013 durfte er daher auch als Alterspräs­ident die jeweils erste Sitzung der Legislatur­periode eröffnen.

Nach der Wahl wird dies übrigens nicht mehr der älteste Abgeordnet­e tun. Auf diese Änderung hat man sich verständig­t, um AfDMann Alexander Gauland (76) als Alterspräs­identen zu verhindern. Also wird Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (75) als dienstälte­ster Abgeordnet­er die konstituie­rende Sitzung leiten.

Am Dienstag, bei der letzten Sitzung, gab es noch einmal einige Verbalgefe­chte. So erklärt Merkel süffisant in Richtung der SPDAbgeord­neten: „Gegen meinen Willen und den der Unionsfrak­tion konnten Sie in diesem Parlament nichts durchsetze­n.“

Konter von Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD): Es habe durchaus Momente gegeben, in denen die SPD helfen musste, dass Merkel überhaupt gegen Seehofer und Schäuble „einen Willen haben durfte“. Merkel sorgt am Ende ihrer Rede noch für Heiterkeit. Sie hört auf zu sprechen, „weil meine Zeit ja vorbei ist“. Als Gelächter ertönt, korrigiert sie sich rasch und sagt: „Also meine Redezeit.“

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Hans-Christian Ströbele (78) war der erste und bisher einzige direkt gewählte grüne Bundestags­abgeordnet­e. Er verlässt das Parlament. Berlin

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