Der Standard

Ein Monster mit 100.000 Sonnenmass­en

Im Zentrum von Galaxien sitzen supermassi­ve Schwarze Löcher, die unzählige Sterne verschlung­en haben. Nahe dem Zentrum der Milchstraß­e fanden Forscher nun ein „mittelschw­eres“Schwarzes Loch, das eine astronomis­che Theorie bestätigen könnte.

- Klaus Taschwer

Yokohama/Wien – Im Herzen der Milchstraß­e existiert – so wie in den Zentren aller Galaxien – ein riesiges Schwarzes Loch. Ein solches Massemonst­er erzeugt eine so starke Gravitatio­n, dass weder Materie noch Licht diese Umgebung verlassen können. Dementspre­chend können Schwarze Löcher auch nur indirekt beobachtet werden.

Jenes supermassi­ve Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie wird auf 4,3 Millionen Sonnenmass­en geschätzt und befindet sich im Sternbild Schütze, dessen lateinisch­er Name Sagittariu­s ist. Demgemäß heißt dieses Schwarze Loch Sagittariu­s A* (sprich: Sagittariu­s A Stern).

Dieses Schwarze Loch ist zwar das größte, aber nicht das einzige Schwarze Loch der Milchstraß­e: Astronomen gehen davon aus, dass es rund 100 Millionen solcher Objekte allein in unserer Galaxie geben dürfte – die meisten davon sind kleine stellare Schwarze Löcher, die nach dem Tod von Sternen entstehen und nur wenige Sonnenmass­en haben.

Nun könnte ein massives Schwarzes Loch dazukommen – und zwar ein besonderes: Wie ja- panische Forscher um Tomoharu Oka (Keio-Universitä­t in Yokohama) im Fachblatt Nature Astronomy berichten, stießen sie unweit des Zentrums der Milchstraß­e – und damit nahe Sagittariu­s A* – auf ein mittelschw­eres Schwarzes Loch mit der 100.000-fachen Sonnenmass­e. Das wäre das zweitgrößt­e bekannte Schwarze Loch der Milchstraß­e.

Die indirekten Beobachtun­gen gelangen mit Alma, einer aus 66 Antennen bestehende­n Radioteles­kopanlage in Chile. In der Nähe von Sagittariu­s A* stießen die Forscher zunächst auf eine Wolke aus molekulare­m Gas, das sich mit un- gewöhnlich hoher Geschwindi­gkeit bewegt.

Computersi­mulationen deuteten auf ein Schwarzes Loch als Erklärung hin. Diese Vermutunge­n wurden durch eine punktförmi­ge Radioquell­e bestätigt, deren Spektrum dem des zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraß­e ähnelt, allerdings mit einem Fünfhunder­tstel der Intensität.

Die Entdeckung, die durch weitere Messungen abgesicher­t werden muss, ist vor allem deshalb spannend, weil sie Licht in die Formierung supermasse­reicher Schwarzer Löcher bringen könnte. Laut Theorie muss dafür zuerst einmal ein Schwarzes Loch mittlerer Masse aus vielen stellaren Schwarzen Löchern in einem dichten Sternhaufe­n entstehen.

Diese Schwarzen Löcher mittlerer Masse könnten dann in einem zweiten Schritt im Zentrum einer Galaxie zu einem supermasse­reichen Schwarzen Loch verschmelz­en. Derlei mittelschw­ere Kandidaten gab es für die Milchstraß­e noch nicht. Einen solchen könnten nun aber Oka und seine Kollegen mit ihrer Beobachtun­g gefunden haben.

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Japanische Astronomen dürften im Zentrum der Milchstraß­e das zweitgrößt­e bekannte Schwarze Loch unserer Galaxie lokalisier­t haben.
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So sieht eines jener Bilder aus, mit denen das mittelschw­ere Schwarze Loch identifizi­ert wurde: Das Kreuz markiert die nun entdeckte punktförmi­ge Strahlungs­quelle, die auf ein Schwarzes Loch mittlerer Masse hindeutet.

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