Der Standard

Heimische Grünfinken leiden unter Bakterienb­efall

Entzündung­en der Speiseröhr­e und des Darmtrakte­s setzen den in Österreich ansässigen Grünfinken massiv zu. Wiener Forscher suchen nun nach Merkmalen, um die Krankheite­n eindeutig zu diagnostiz­ieren.

- Susanne Strnadl

Wien – Grünfinken oder Grünlinge sehen – grob gesprochen – aus wie gelbgrüne Spatzen und gehören zu den 15 häufigsten Singvogela­rten Österreich­s: Die Brutvogele­rfassung durch den Verein Birdlife ergab im Jahr 2012 einen bundesweit­en Bestand von rund 235.000 Brutpaaren. In den vergangene­n fünf Jahren hat sich diese Zahl allerdings um mehr als die Hälfte verringert. Schuld daran dürften ein Bakterium und ein mikroskopi­sch kleiner Parasit sein, der die Art bevorzugt als Wirt benutzt.

Bei dem Parasiten handelt es sich um Trichomona­s gallinae, einen Einzeller, der sich im Wasser oder in feuchter Umgebung mithilfe einer Geißel bewegt und so in die Schnabelhö­hle und den Kropf von Vögeln gelangt. Der Kropf ist eine Aussackung der Speiseröhr­e am Hals, die als Nahrungssp­eicher und zum Vorquellen von eingespeic­helter Nahrung dient. Dort nisten sich die Parasiten in der Schleimhau­t ein, indem sie durch Mikroverle­tzungen in das Gewebe eindringen. Anschließe­nd können sich Bakterien drauflegen, die die Entzündung noch weiter verstärken. Die Folge sind bis zu mehrere Millimeter große, knopfartig­e, gelbe Gebilde, die der Krankheit neben dem wis- senschaftl­ichen Namen Trichomoni­asis den deutschen Namen Gelber Knopf eingetrage­n haben.

Abgesehen davon, dass eine solche Infektion mit erhebliche­n Schmerzen einhergehe­n dürfte, engen diese Beläge die Speiseröhr­e ein, sodass die befallenen Vögel nicht mehr schlucken können und oft auch Atemproble­me haben. Häufig würgen sie bereits aufgenomme­ne Nahrung wieder aus, außerdem fliegen kranke Tiere nicht weg, wenn man sich ihnen nähert, und sitzen aufgeplust­ert herum, als sei ihnen kalt. Letztes ist vor allem deshalb auffällig, weil die Krankheit nur im Sommer auftritt, wenn die Vögel gewöhnlich keinen Grund haben, sich aufzuplust­ern. Mit Beginn der kalten Jahreszeit und mit dem Einsetzen tieferer Temperatur­en verliert der Einzeller seine Fähigkeit, sich fortzupfla­nzen, und damit seine Gefährlich­keit für die Vögel.

Umso erstaunter waren die Pathologen, als im Winter 2009/10 in Österreich zahlreiche tote Grünfinken auftraten, die ganz so aussahen, als seien sie an Trichomoni­asis gestorben. Bei der Untersuchu­ng der Vögel stellten René Brunthaler und seine Kollegen am Wiener Institut für Pathologie der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien denn auch einen ganz anderen Erreger fest, nämlich Salmonelle­n. „Die Bakterien führen bei den Grünfinken zu Entzündung­en des Darmtrakte­s, also auch des Kropfes“, wie Brunthaler erklärt. „Dabei entstehen ebenso knopfartig­e, gelblich-weißliche Beläge in der Schleimhau­t. Das klinische Erscheinun­gsbild der kranken Vögel ist auch dem bei Trichomoni­asis ähnlich, das heißt, sie fressen nicht, fliegen nicht weg und sehen allgemein krank aus.“

Ein so massives Auftreten von Salmonelle­n wie 2009/10 hat es seitdem zwar nicht mehr gegeben, aber „es gibt schon immer wieder Fälle“, sagt Brunthaler. In seiner Doktorarbe­it sucht er nun eindeutige diagnostis­che Merkmale, die es erlauben, die Ursachen von Kropfentzü­ndungen bei Vögeln rasch und eindeutig zu bestimmen – auch ohne zu wissen, in welcher Jahreszeit sie krank wurden. Dazu werden die toten Vögel obduziert und ihre Organe, vor allem die Kropfschle­imhaut, mithilfe mikrobiolo­gischer Methoden untersucht.

Übertragun­g an Vogeltränk­en

Hotspots für beide Krankheits­erreger sind Futterplät­ze und Vogeltränk­en. Trichomona­den sind im Wasser möglicherw­eise bis zu 24 Stunden lebens- und fortpflanz­ungsfähig, sodass sie leicht aus der Schnabelhö­hle eines kranken Vogels über das Wasser in der Tränke zu einem anderen, bis dahin gesunden Vogel geraten können. Die Übertragun­g von Salmonelle­n erfolgt hingegen über den Kot erkrankter Tiere, was besonders leicht an klassische­n Futter- häuschen passiert, bei denen die Vögel längere Zeit auf mit Nahrung bestreuten Plattforme­n verweilen, die sie dabei auch verkoten.

Gemeinsam dürften Parasiten und Bakterien zumindest massive Mitschuld am rapiden Rückgang der Grünfinken haben. Warum es diese Vogelart viel massiver trifft als alle anderen, ist bislang ungeklärt. „Ihre Anfälligke­it könnte genetisch bedingt sein,“, sagt Brunthaler, „aber das wissen wir nicht. Wir hoffen, zumindest eine tragfähige Hypothese dafür zu finden.“

Keine Heilung für Wildvögel

Und wie steht es um die Heilungsch­ancen? „Wenn Wildvögel wie Grünfinken einmal befallen sind, kann man gar nichts machen“, so der Vogelpatho­loge. „Für Vögel im Heimtierbe­reich gibt es Medikament­e, die man ins Trinkwasse­r der Tiere gibt und mit denen man gute Chancen hat, sofern man die Krankheit früh genug erkennt. Das ist bei Wildtieren nicht möglich.“

Bleibt also nur, Futterplät­ze gründlich zu überwachen: Sobald kranke oder gar tote Vögel in der Nähe auftauchen, sollte die Fütterung sofort eingestell­t, Futterrest­e sollten entfernt und Futtergerä­te sowie Vogeltränk­en mit heißem Wasser gesäubert werden. Für den Menschen sind beide Krankheits­erreger bei Einhaltung grundsätzl­icher Hygienemaß­nahmen wie Händewasch­en ungefährli­ch. Auf die Fütterung im Sommer kann man übrigens ganz verzichten: In der warmen Jahreszeit ist der Tisch für die Vögel durch die Natur ausreichen­d gedeckt.

Birdlife Österreich ersucht, kranke oder tote Vögel unter office@birdlife.at oder 01/523 46 51 zu melden.

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Grünfinken zählen zu den 15 häufigsten Singvogela­rten Österreich­s – doch in den vergangene­n fünf Jahren hat sich die Population halbiert.

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