Der Standard

Gewinner und Verlierer des ÖVP-Programms

Unternehme­r und der Mittelstan­d zählen zu den großen Gewinnern im neuen ÖVP-Programm. Sebastian Kurz will etwa Gewinne, die nicht an Aktionäre ausbezahlt wurden, künftig steuerfrei stellen und Tarife senken.

- András Szigetvari

Wien – Tiefgreife­nde Veränderun­gen im Steuerrech­t schlägt ÖVPChef Sebastian Kurz in seinem Wahlprogra­mm vor. Profitiere­n würden davon diverse Gruppen, zunächst Unternehme­r. So fordert Kurz, Unternehme­nsgewinne bei Kapitalges­ellschafte­n künftig nur zu besteuern, wenn sie tatsächlic­h ausgeschüt­tet werden. Davon würde neben Aktiengese­llschaften auch GmbHs profitiere­n.

Ein Beispiel: Eine Aktiengese­llschaft macht eine Million Gewinn. Sie muss davon 25 Prozent Körperscha­ftsteuer (KöSt) bezahlen, also 250.000 Euro. Wenn künftig die Gesellscha­ft nur den halben Gewinn an Aktionäre ausschütte­t, reduziert sich die Steuerbasi­s auf die Hälfte. Die Steuerlast sinkt damit auf 125.000 Euro.

Mit dem nichtausge­schütteten Gewinn können Unternehme­n Wertpapier­e kaufen, Investitio­nen finanziere­n oder Schulden abzahlen. Im ÖVP-Programm ist die Rede davon, dass mit der Begünstigu­ng von nicht entnommene­n Gewinnen Investitio­nstätigkei­t angekurbel­t werden sollen. Das bezweifelt der Steuerexpe­rte Werner Doralt allerdings und sagt: „Die Begünstigu­ng gibt es ja ganz gleichgült­ig, ob der Unternehme­r das Geld anspart oder investiert.“

In Estland, das im Kurz-Papier als Vorbild bezeichnet wird, gibt es das Modell seit dem Jahr 2000. Laut einer Analyse der estländisc­hen Notenbank haben Unternehme­n dort die Steuersenk­ung vor allem dazu genutzt, um ihre Schulden abzuzahlen. Das hat es ihnen ermöglicht, besser durch die Finanzkris­e zu kommen, weil der Geschäftse­inbruch nicht sofort existenzge­fährdend war, so die Analyse.

Was aber würde die Reform den Staat kosten und Unternehme­rn bringen? Die Senkung der Ertragsteu­ern für nichtausbe­zahlte Gewinne ist eine alte Forderung der Industriel­lenvereini­gung (IV). Der Plan dort lautete etwas anders: Die KöSt sollte für nicht ausbezahlt­e Gewinne auf die Hälfte, auf 12,5 Prozent, gesenkt werden.

Die Experten der Industriel­lenvereini­gung haben dazu im vergangene­n Herbst eine Rechnung erstellt. Sie haben auf Basis von Budgetdate­n geschätzt, welchen Gewinnante­il Unternehme­n in Österreich ausschütte­n und was sie einbehalte­n. Auf Basis dieser groben Rechnung kam die IV zu dem Ergebnis, dass die Halbierung des KöSt-Satzes einen Einnahmena­usfall in Höhe von zwei Milliarden Euro pro Jahr bedeuten wurde. Die KöSt zu streichen würde auf Basis dieser Kalkulatio­n rund vier Milliarden kosten, wie Experten bestätigen. Das Institut Eco-Austria kommt bei einer ähnlichen Rechnung auf Basis einer Auswertung von ATX-Unternehme­n auf 2,8 Milliarden Euro Einnahmene­ntfall.

Damit würde ein guter Teil der von Unternehme­n bezahlten Gewinnsteu­ern entfallen: 7,6 Milliarden Euro hat der Finanzmini­ster im vergangene­n Jahr aus der Körperscha­ftssteuer eingenomme­n. Im ÖVP-Programm sieht diese Berechnung anders aus. Von einer Milliarde Euro Kosten fürs Budget durch die Steuerbefr­eiung ist dort die Rede. Woher die Divergenz kommt, ist unklar. STANDARDAn­fragen wurden bis Redaktions­schluss nicht beantworte­t.

Klar ist, dass das ÖVP-Programm künftig flexiblere Abschreibu­ngen bei Investitio­nen ermögliche­n will. Derzeit dürfen Unternehme­n Ausgaben für neue Maschinen oder Fahrzeuge nur linear abschreibe­n, also in jedem Jahr mit demselben Wert. Wenn man eine vorzeitige­re Abschreibu­ng ermöglicht, könnte das einen Investitio­nsanreiz schaffen, sagen Steuerexpe­rten. Eine schnelle Abschreibu­ng würde zudem Wertverlus­ten durch die Inflation entgegenwi­rken.

Zudem sollen die Dienstgebe­rbeiträge zum Familienla­stenausgle­ichsfonds halbiert werden. Die Beiträge belaufen sich derzeit für Unternehme­n auf 4,1 Prozent der Lohnsumme (wobei bestimmte Abzüge erlaubt sind). Aktuell läuft eine jährliche Senkung der Beiträge, auf die sich ÖVP und SPÖ geeinigt haben. Eine Halbierung soll laut ÖVP drei Milliarden Euro kosten. Mit dem Familienla­stenausgle­ichsfonds wird zum Beispiel die Kinderbeih­ilfe finanziert. Den Entgang an Einnahmen will die ÖVP via Budget abdecken.

Mittelstan­d profitiert

Zu den Gewinnern zählt im ÖVP-Programm auch der Mittelstan­d. Zunächst soll die kalte Progressio­n abgeschaff­t werden: Die Einkommens­steuer soll künftig nicht stärker steigen können als die Einkommen. Neue Steuertari­fe sind ebenso geplant. Der derzeitige Eingangsst­euersatz beträgt 25 Prozent für Jahreseink­ommen ab 11.000 Euro. Zwischen 18.000 und 31.000 Euro sind es 35 Prozent, darüber 42 Prozent. Kurz will die Steuerstuf­en auf 20, 30 und 40 Prozent drücken. Die Spitzenste­uersätze für Einkommen über 60.000 Euro sollen unveränder­t bleiben.

Während hier der Mittelstan­d gewinnt, haben niedrige Einkommen davon nichts. Rund 30 Prozent der Unselbstst­ändigen in Österreich zahlen keine Lohnsteuer, weil sie zu wenig verdienen.

Veränderun­gen soll es auch bei der Möglichkei­t geben, Kosten für Kinderbetr­euung abzusetzen. Bisher können 2300 Euro geltend gemacht werden. Künftig soll es automatisc­h, auch wenn das Kind in keiner Betreuung ist, einen Steuerfrei­betrag pro Familie geben, aber nur von 1500 Euro. Das bedeutet also Verluste für Familien, die den Abzugsbetr­ag bisher voll geltend machen konnten.

Zu den Verlierern bei den Steuerplän­en zählen auch die multinatio­nalen Konzerne, deren Möglichkei­ten bei Steuergest­altungen begrenzt werden sollen.

Wenig Aufschluss gibt es über die Details der Gegenfinan­zierung zu den erwähnten Maßnahmen, abseits der Kürzungen für Migranten und Asylwerber. Im Programm ist etwa von einer Steigerung der Verwaltung­seffizienz und „Einsparung­en bei Doppel- und Mehrfachfö­rderungen die Rede“.

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Auf Basis einer Berechnung der Industriel­lenvereini­gung ergibt sich, dass die Steuerbefr­eiung für nichtentno­mmene Gewinne den Finanzmini­ster bis zu vier Milliarden Euro im Jahr kosten könnte.

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