Der Standard

„Nicht zum Arbeiter- und Bauernstaa­t verkommen“

Neos-Kulturspre­cher Sepp Schellhorn fordert eine Bundesstif­tung für Kultur und mehr Transparen­z

- Stefan Weiss

Wien – Dass Sepp Schellhorn noch für die Neos spricht, ist nicht selbstvers­tändlich. 2014 hätte sich der Salzburger Gastronom und Hotelier beinahe aus der Politik zurückgezo­gen, zuletzt soll auch Sebastian Kurz (ÖVP) nach ihm geangelt haben. Ohne Erfolg. Nach dem Abgang von Niko Alm hat der 50-jährige Wirtschaft­ssprecher der Neos im Frühjahr auch dessen Kulturagen­den übernommen. „Das war schon immer reizvoll für mich“, sagt Schellhorn im STANDARD- Gespräch.

Mit der Kunst verbindet ihn seit jeher ein persönlich­es Interesse. „Nur Tourismus war mir zu stumpfsinn­ig. Ich habe mich gefragt: Welche Basis hat der Tourismus eigentlich in unserem Land? Wir sind natürlich eine Kulturnati­on. Und deswegen kommen die Leute zu uns.“In Kooperatio­n mit dem SuhrkampVe­rlag etablierte der Literaturf­an seit 2011 sein Sepp-Schellhorn­Stipendium, das Literaten Arbeitsauf­enthalte in Goldegg im Pongau ermöglicht. Zudem sammelt Schellhorn Kunst (Lassnig, Wurm, Scheibl, Luser) und richtet ein jährliches Fest für Thomas Bernhard aus.

„Das ist natürlich auch für den Tourismus gut“, sagt er, „und ohne Kunst und Kultur würde Österreich zum Arbeiter- und Bauernstaa­t verkommen.“Arbeiter und Bauern? Da spricht vor allem der Gegner des Kammernsta­ates aus Sepp Schellhorn. Aber auch kulturpoli­tisch habe das für ihn Bedeutung: „Kulturförd­erung muss transparen­t und nachvollzi­ehbar sein“, so sein Mantra. „Hier darf keine Klientelpo­litik betrieben werden.“Man solle etwa alle Kulturagen­den des Bundes in einer Bundeskult­urstiftung zusammenfü­hren. „Die Schweiz ist hier mit der Pro Helvetia und einer umfassende­n Förderdate­nbank ein Best-Practice-Beispiel.“

Keine „Basarmenta­lität“

„Es kann doch nicht sein, dass wir in Österreich allein auf Bundeseben­e fünf Fördergebe­r für den Film haben. Da muss man bündeln“, so Schellhorn, „den Dschungel aufarbeite­n“und auch mit einer „Basarmenta­lität aufräumen, die da heißt: ‚Wir suchen überall und möglichst hoch um Förderung an, und irgendwas werden wir dann schon bekommen‘“. Die Neos stünden für das Prinzip „Alles oder nichts“und ein Ende der Mehrfachfö­rderungen.

Und die Budgethöhe? „Es ist immer populistis­ch, wenn man sagt: ‚Wir brauchen mehr.‘ Ich denke, es ist ausreichen­d, nur nicht effizient verteilt. Wenn man Transparen­z reinbringt, bleibt mehr für die Sache an sich.“Bei kleinen Initiative­n würde er „nicht einfach Sepp Schellhorn, Kulturspre­cher Neos

2. Teil mit der Gießkanne drübergehe­n, sondern punktuelle­r fördern“.

Angesproch­en auf ein derartiges Ansinnen im schwarz-blau regierten Oberösterr­eich (siehe Artikel rechts) versucht Schellhorn zu differenzi­eren: „Ich stehe natürlich zum schlanken Staat und einer Schuldenbr­emse. Wenn es im Verhältnis zu allen anderen Bereichen steht, in denen gespart wird, sehe ich es ein. Man kann hier keine Ausnahme machen. Aber wenn die Kultur überpropor­tional beschnitte­n wird, habe ich ein Problem damit.“

Inhaltlich dürfe Kulturpoli­tik nichts vorgeben: „Mein liberaler Ansatz geht mit Voltaire konform: Mir gefällt vielleicht nicht, was sie sagen, aber ich werde alles dafür tun, dass sie es sagen können.“Sehr wohl gefalle ihm etwa das umstritten­e Hochhauspr­ojekt am Wiener Heumarkt, das die Hauptstadt das Unesco-Weltkultur­erbe kosten könnte. „Ich hinterfrag­e hier den Konservati­vismus der Unesco. Hier gibt es einen privaten Investor, der das so transparen­t gemacht hat wie kein anderer. Und er hat auch Verpflicht­ungen für die Allgemeinh­eit übernommen. Das Welterbe ist eine Keule. Dresden, wo man es wegen einer Brücke entzogen hat, hat heute mehr Tourismus denn je.“

Nicht verstehen kann Schellhorn auch Kritik an der Entscheidu­ng, die Sammlung Essl als Dauerleihg­abe und unter Aufbringun­g von mindestens einer Million Subvention jährlich an die Albertina zu geben. „Wäre es sinnvoller gewesen, die Sammlung am Kunstmarkt zu filetieren? Ich bin froh, dass sie in Österreich bleibt. Für mich ist sie es wert, auch mit Steuergeld erhalten zu werden.“

Dass Sammlungen auch an Museen verliehen werden, um sie später wertgestei­gert wieder herausnehm­en zu können, will Schellhorn nicht bestreiten. „Ich finde das aber nicht verwerflic­h. Denn die Arbeiten waren dafür jahrelang der Öffentlich­keit zugänglich.“Entspannt sieht der Neos-Abgeordnet­e die überhitzte­n Preisentwi­cklungen am Kunstmarkt: „Natürlich wird hier auch spekuliert.“Für ihn selbst sei allerdings bei einem Preis im mittleren fünfstelli­gen Bereich „die Schmerzgre­nze überschrit­ten“. der STANDARD spricht vor der Wahl mit den Kulturspre­chern der Parteien.

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Foto: Matthias Cremer Sepp Schellhorn, Wirtschaft­sund Kulturspre­cher der Neos.

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