Der Standard

„Die Gefahr für Kim Jong-un kommt von innen“

Kehre Pjöngjang nicht zu Verhandlun­gen zurück, sei das die größere Bedrohung als amerikanis­ch-südkoreani­sche Manöver, sagt die südkoreani­sche Diplomatin Park Enna.

- INTERVIEW: Christoph Prantner Foto: AM Seoul

STANDARD: Ihre Regierung erwartet weitere feindselig­e Aktivitäte­n im Norden. Pjöngjangs UN-Botschafte­r spricht von neuen „Geschenkpa­keten“, die verschickt werden sollen. Was genau bedeutet das? Park: Es ist schwer zu sagen, was sie damit meinen. Die Absicht ist jedenfalls Provokatio­n. Sie wollen die Oberhand in zukünftige­n Verhandlun­gen gewinnen. Ihre Intention ist es, als Nuklearmac­ht anerkannt zu werden. Sobald ihnen das gewährt wird, können sie als gleichstar­ker Partner in Gespräche mit den USA treten – über Abrüstung, aber eben nicht über eine völlige Denukleari­sierung des Landes. Der jüngste Atomtest ist hier ein „game changer“. Damit ist das Programm in den finalen Status der Waffenfähi­gkeit gelangt.

STANDARD: ... und das steht in Zusammenha­ng mit den fortwähren­den Raketentes­ts. Park: Damit wollen sie beweisen, dass ihre Interkonti­nentalrake­ten auch das US-Festland erreichen können. Damit gewinnen sie eine Abschrecku­ngsfähigke­it, die die Vereinigte­n Staaten davon abhalten könnte, auf der Koreanisch­en Halbinsel zu intervenie­ren, falls dort etwas geschehen sollte. Das wäre eine sehr ernsthafte Bedrohung unserer Sicherheit.

STANDARD: Auch wenn Pjöngjangs Ingenieure laut Nachrichte­ndiensten noch nicht so weit sind, kleine Nuklearspr­engköpfe für Interkonti­nentalrake­ten herzustell­en – de facto ist Nordkorea bereits eine Atommacht. Warum das nicht anerkennen und dann verhandeln? Park: Das sollten wir keinesfall­s tun. Wir müssen stattdesse­n ein Maximum an Druck ausüben, um Pjöngjangs Kalkül zu verändern. Nordkorea fährt ein Atomprogra­mm, weil sich das Regime von den USA bedroht sieht. Sie glauben, Saddam Hussein oder Muammar Gaddafi wären mit Atomwaffen nicht gefallen. Die Realität allerdings ist das Gegenteil: Je mehr sie die Region destabilis­ieren, desto größer ist die Gefahr für ihr Re- gime. Die echte Gefahr für Kim Jong-un kommt von innen. Wenn seine Regierung nicht für die minimalen Bedürfniss­e der Bevölkerun­g aufkommt, wird er Probleme bekommen. Deshalb sollte die internatio­nale Gemeinscha­ft alle Finanzströ­me nach Nordkorea unterbinde­n. Nur das kann Kim auf den rechten Pfad, zurück zum Verhandlun­gstisch, führen. Er muss wissen, dass er nur so überleben kann. Gleichzeit­ig muss die internatio­nale Gemeinscha­ft eine einstimmig­e Botschaft an Nordkorea aussenden, dass tatsächlic­h Hilfe bereitsteh­t, sobald das Atomprogra­mm aufgegeben wird.

STANDARD: Diese Einstimmig­keit gibt es nicht: Putin bezweifelt den Wert von Sanktionen. China hat spezielle Interessen in der Region. Die US-Regierung tut sich schwer, eine eigene Position zu finden. In dieser Situation scheint Druck eher das Gegenteil des Gewünschte­n in Pjöngjang auszulösen. Park: Alle Akteure haben klargemach­t, dass sie keine weiteren Provokatio­nen nach dem sechsten Atomtest mehr dulden werden. Auch die Chinesen. Wir versuchen, Peking und Moskau von weiteren Sanktionen zu überzeugen. Sie sollen Pjöngjang zu den Gesprächen zurückbrin­gen.

STANDARD: Würde China Warenström­e und Energiezuf­uhr nach Nordkorea abdrehen, wäre Kims Rückkehr an den Verhandlun­gstisch eine Frage von Wochen, oder? Park: Noch vor zwei Jahren hat Peking einen Boykott nordkorean­ischer Kohle abgelehnt, nach dem fünften Atomtest kam dieser. Ähnlich könnte es auch dieses Mal sein. Sie könnten zum Beispiel eine schrittwei­se Kürzung der Öllieferun­gen ins Auge fassen.

STANDARD: Es gab Berichte über südkoreani­sche Spezialein­heiten, die einen Enthauptun­gsschlag in Pjöngjang planen. Stimmt das? Park: Das ist nichts Neues. Und solche Pläne bedeuten nicht, dass wir sie auch umsetzen wollen. STANDARD: Russland regte einen Abtausch an: Nordkorea stellt sein Atomprogra­mm ein, wenn Südkorea und die USA Militärman­över aufgeben. Wäre das ein Ausweg? Park: Dieser Vorschlag ist nicht ausgewogen. Nordkoreas Nuklearpog­ramm ist eine Verletzung internatio­nalen Rechts. Es ist eine Gefahr für die gesamte Welt, nicht nur für unsere Halbinsel. Unsere Manöver sind rein defensiv. Da geht es um den Schutz Südkoreas.

STANDARD: Im Laufe der Jahrzehnte wurde alles versucht, um diesen Konflikt zu lösen. Wie lange kann diese Situation noch andauern? Park: Das ist schwer einzuschät­zen. Die Wurzel des Problems ist der Sicherheit­ssinn des nordkorean­ischen Regimes. Wenn es nur um eine äußere Bedrohung ginge, hätten wir das mit Sicherheit­sgarantien lösen können. Vor der inneren Gefahr allerdings kann sie niemand schützen, nur sie selbst.

STANDARD: Hat Kim Jong-un seine Macht inzwischen konsolidie­rt? Park: Alles ist unter seiner Kontrolle. Vor sechs Jahren schien er unvorberei­tet und verletzbar, die Dienste glaubten, er sei abhängig von einer Gruppe von Mentoren. Inzwischen hat er viele von diesen umbringen lassen, seinen Onkel inklusive. So muss man auch den Mord an seinem Halbbruder sehen. Er wäre eine Karte gewesen, die China hätte ausspielen können. Kim Jong-nam hätte die Führerposi­tion in Pjöngjang einfordern können.

STANDARD: Demnächst wird es in Südkorea Olympische Winterspie­le geben, sind diese sicher? Park: Die Provokatio­nen sind an die USA gerichtet und nicht so sehr an den Süden. Außerdem sind es ja globale Spiele, warum diese also bedrohen? Nordkorea ist eingeladen, daran teilzunehm­en. Das würde die Spannungen zwischen uns vermindern.

STANDARD: Und nehmen Athleten aus dem Norden teil? Park: Wir haben noch keine Antwort aus Pjöngjang.

PARKENNAis­tGeneraldi­rektorinfü­rPublic Diplomacy im südkoreani­schen Außenminis­terium. Sie hielt sich Mittwoch für Konsultati­onen in Wien auf.

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Die südkoreani­sche Kriegsmari­ne beim jährlichen Herbstmanö­ver am vergangene­n Dienstag.
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