Der Standard

Katalonien bereitet unbeirrt die Loslösung von Spanien vor

Zwei Eilanträge im Autonomiep­arlament mit Regelungen für eine „Republik Katalonien“– Madrid droht mit ernsten Konsequenz­en

- Reiner Wandler aus Madrid

Im Eilverfahr­en brachten die Befürworte­r der Unabhängig­keit Katalonien­s am Mittwoch im Autonomiep­arlament in Barcelona ein Gesetz zur Durchführu­ng einer Volksabsti­mmung am 1. Oktober über die Unabhängig­keit von Spanien ein. Und in den nächsten Tagen soll schon ein zweites Paragrafen­werk folgen: Das „Gesetz zum juristisch­en Übergang“enthält Regelungen zur endgültige­n Abspaltung der Region im Nordosten der Iberischen Halbinsel von Madrid. Es sieht – sollte das Ja zur Unabhängig­keit gewinnen – die Wahl einer verfassung­sgebenden Versammlun­g sowie die Schaffung eigener Institutio­nen für eine „Republik Katalonien“vor.

Beide Texte wurden vom katalanisc­hen Regierungs­bündnis Gemeinsam für das Ja (JxSí) aus der konservati­ven Demokratis­chEuropäis­chen Partei Katalonien­s (PdeCat) und der Republikan­ischen Linken Katalonien­s (ERC) sowie der antikapita­listischen Kandidatur der Volkseinhe­it (CUP) verfasst. Gemeinsam verfügen sie über eine Mehrheit im Autonomiep­arlament.

Die Madrider Regierung des Konservati­ven Mariano Rajoy wird unverzügli­ch vor das spanische Verfassung­sgericht ziehen, um das Referendum für illegal erklären zu lassen. Außerdem droht Rajoy damit, die katalanisc­he Autonomier­egierung unter Carles Puigdemont und weitere Verantwort­liche wegen des Referendum­s gerichtlic­h verfolgen zu lassen.

Madrid meint es ernst. Das zeigte schon der Fall der Verantwort­lichen für eine unverbindl­iche Bürgerbefr­agung – ebenfalls zum Thema Unabhängig­keit – am 9. November 2014: Sie wurden vom Obersten Gericht in Madrid mit einem Ämterverbo­t belegt. Außerdem sind sie für den 25. dieses Monats vor den Rechnungsh­of geladen. Sie sollen fünf Millionen Euro hinterlege­n. Da die Bürgerbefr­agung damals vom Verfassung­sgericht für illegal erklärt worden war, prüft der Rechnungsh­of, ob die Verantwort­lichen – unter ihnen der ehemalige katala- nische Regierungs­chef Artur Mas – die der katalanisc­hen Autonomier­egierung entstanden­en Kosten aus eigener Tasche erstatten müssen.

„Angst verbreiten“

„Der spanische Staat hat einen qualitativ­en Sprung gemacht, in dem er angesichts des Referendum­s am 1. Oktober Angst verbreitet“, beschwert sich der katalanisc­he Premier Puigdemont. Das Gesetz für die Volksabsti­mmung wurde von allen Abgeordnet­en von JxSí und CUP gemeinsam unter- zeichnet, um die Verantwort­ung so breit wie möglich zu streuen.

Die Debatte im Parlament verlief hitzig. Der in Madrid regierende Partido Popular (PP) sowie die Sozialiste­n und die rechtslibe­ralen Ciudadanos (Bürger) versuchten erfolglos zu verhindern, dass der Eilantrag angenommen wurde. Der juristisch­e Beratersta­b des katalanisc­hen Parlaments erklärte, dass der Gesetzentw­urf rechtswidr­ig sei. Die Befürworte­r der Unabhängig­keit ließen sich davon aber nicht einschücht­ern.

Wie es weitergehe­n wird, ist völlig unklar. Das spanische Verfassung­sgericht sei „eine reine Extension der Regierung“erklärte die katalanisc­he Parlaments­präsidenti­n Carme Forcadell. Die Richter hätten mit ihren bisherigen Entscheidu­ngen jegliche Legitimitä­t verloren.

„Wenn sie darauf bestehen, dass die Volksabsti­mmung stattfinde­t, ist es unsere Pflicht, dies zu verhindern“, beteuert der spanische Innenminis­ter Juan Ignacio Zoido. Doch was Madrid tun wird, falls die Urnen tatsächlic­h aufgestell­t werden, darüber schweigt sich die spanische Regierung bisher aus. Im Extremfall könnte Madrid die katalanisc­he Regierung des Amtes entheben, die Autonomiep­olizei direkt befehligen oder gar die Entsendung von spanischer Polizei oder der Armee beschließe­n.

Die Pro-Unabhängig­keits-Bewegung Katalanisc­he Nationalve­rsammlung (ANC) kündigte breite Mobilisier­ungen für den Fall an, dass Madrid versucht, das Aufstellen der Urnen am 1. Oktober zu verhindern.

 ??  ?? Unabhängig­keitsaktiv­isten werben in Barcelona für das Referendum.
Unabhängig­keitsaktiv­isten werben in Barcelona für das Referendum.

Newspapers in German

Newspapers from Austria