Der Standard

Wenig Durchblick im Dickicht des Förderdsch­ungels

Rechnungsh­of prüft Transparen­zdatenbank – Verfassung­sjurist kritisiert Wildwuchs

- Marie-Theres Egyed, Peter Mayr

Wien – Zumindest in eine Richtung sind die Informatio­nen schnell abrufbar: Wer ein Unternehme­n gründen will, kann auf der Homepage des Gründerser­vices der österreich­ischen Wirtschaft­skammer rasch abrufen, welche Förderunge­n wo abgeholt werden können.

Die Geldgebers­eite hat allerdings weitaus weniger Durchblick. Gerade in Wahlkampfz­eiten fordern Politiker aller Couleur einen schlankere­n Staat. Zuletzt war es ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der sich durch die Beseitigun­g von Doppelglei­sigkeiten im Förderwese­n Einsparung­en in Milliarden­höhe erwartet und dadurch die Möglichkei­t sieht, den Steuersatz senken zu können. Er ist natürlich auch nicht der erste ÖVP-Chef, der Milliarden­beträge im Förderdick­icht vermutet. Sein Vorvorvorg­änger Josef Pröll – Vizekanzle­r und Finanzmini­ster bis 2011 – gab der Suche danach den Namen Transparen­zdatenbank. Die Idee dahinter: Alle Förderunge­n von Bund, Ländern und Gemeinden sollen aufgeliste­t und einsehbar sein, damit die Geldströme nachvollzi­ehbar werden. Oder kurz formuliert: Es sollte Klarheit darüber herrschen, wer wen bereits fördert und vor allem mit wie viel.

Pröll selbst war nicht erreichbar für den STANDARD. Ausgangspu­nkt heute wie damals waren für die ÖVP die Sozialausg­aben. „Da es viele Doppelglei­sigkeiten in der Sozialverw­altung zwischen Gemeinde, Land und Bund gibt und die eine Hand mitunter nicht weiß, was die andere tut, wollten wir hier Transparen­z sowohl für jeden Einzelnen herstellen wie auch in der Gesamtscha­u für die Behörden“, erinnert sich sein früherer Pressespre­cher und jetziger Politikber­ater Daniel Kapp. Aus seiner Sicht waren die Länder zwar „nicht unbedingt ein Motor dieses Projektes“, gebremst habe vor allem der Koalitions­partner SPÖ. Wobei auch die Wirtschaft­skammer dem Vorhaben Skepsis entgegenge­bracht hat.

Fakt ist: Es bewegte sich wenig. Seit Anfang 2013 melden die Bundesdien­ststellen ihre Leistungsa­ngebote und Einzelförd­erungen, seitens der Länder wurden zwar Förderungs­angebote gemeldet – der Betrag wie auch der Empfänger bleiben ungenannt. Die Förderleis­tungen der Gemeinden sind in der geltenden Regelung gleich überhaupt nicht enthalten.

Etwas von der Zurückhalt­ung der Länder wurde jetzt – wieder Jahre später – abgelegt. In zwei Bereichen, nämlich Umwelt und Energie, soll die Datenbank seit Anfang des Jahres befüllt werden. Auch er sei „unzufriede­n mit der Entwicklun­g“, bekannte Dienstagab­end in der ZiB 2 der Vorarlberg­er Landeshaup­tmann und der- zeitige Vorsitzend­e der Landeshaup­tleutekonf­erenz Markus Wallner. Sein Credo, das daraus folgte: „Jetzt anpacken, Diskussion beenden.“

Was das aus Sicht der Länder bedeutet: Im Hintergrun­d werde, heißt es in seinem Büro, an der Ausweitung auf alle Förderbere­iche gearbeitet. Davor soll aber die Effizienz des Systems überprüft werden – auf Wunsch der Länder läuft dazu eine Studie. Schließlic­h sei die Datenbank ein sehr „aufwendige­s Verfahren“.

In Oberösterr­eich sieht man das offenbar anders. Das Land ist zum Vorreiter geworden – man speise „95 Prozent aller Bereiche“ein, wird im Büro von Landeshaup­tmann Stelzer festgehalt­en. Ausnahmen gebe es nur bei Akten der Hoheitsver­waltung und in Datenschut­zangelegen­heiten.

Länder warten ab

Weil die Mehrheit der Länder Informatio­nen nur sparsam herausrück­en, hat die Transparen­zdatenbank bisher nicht den erwünschte­n Durchblick gebracht. Der Rechnungsh­of kritisiert­e bereits die Kosten für Errichtung und Instandhal­tung und prüft nun die Effizienz der Einrichtun­g und ob die Zielsetzun­g dieses komplexen Instrument­s tatsächlic­h erreicht wird, heißt es auf STANDARDNa­chfrage von der Prüfinstan­z.

Dabei geht es um Riesensumm­en: 19,6 Milliarden Euro betrugen die Förderunge­n 2015. 4,9 Milliarden Euro wurden direkt vergeben, 14,8 Milliarden Euro etwa durch Steuerverg­ünstigunge­n. Wobei die Zahlen Interpreta­tionsspiel­raum zulassen, und das Volumen auch höher angenommen werden kann. Es hängt von der De- finition ab, was alles unter Förderung verstanden wird. Ein Beispiel: Vergibt eine Gemeinde eine Liegenscha­ft zu günstigen Konditione­n, um die regionale Wirtschaft zu fördern, so ist es schwierig, dies in Zahlen auszuweise­n.

Im Förderungs­bericht 2015 des parlamenta­rischen Budgetdien­stes heißt es, dass die hohe Gesamtzahl an Förderungs­angeboten von Bund und Ländern die Unübersich­tlichkeit des österreich­ischen Fördersyst­ems belege. Bessere Akkordieru­ng sei notwendig, da mit der Vergabe weiterhin wirtschaft­s- oder gesellscha­ftspolitis­che Ziele, wie etwa Familienfö­rderung, verfolgt werden.

Dass Förderunge­n per se nicht schlecht sind und auch ein Steuerungs­instrument für einen Sozialstaa­t, hält Bernhard-Christian Funk im STANDARD- Gespräch fest. Der Verfassung­sjurist weist jedoch darauf hin, dass die vielen Transferle­istungen zu einem Wildwuchs geführt haben. Dahinter stecke ein politische­s Interesse, meint Funk: „Wer lässt sich gern nachweisen, dass eine gängige Förderung überflüssi­g ist? Transparen­z entspricht hier nicht dem politische­n Interesse.“Eine vollständi­ge Übersicht sei wichtig, damit man erkennen könne, wie sich die Leistungen zueinander verhalten und nicht mehr konterkari­eren.

Damit das Projekt doch noch seine Funktion erfüllt, schlägt der Budgetdien­st vor, dass sich Bund, Länder und Gemeinden besser abstimmen müssten. Zuständigk­eiten, wer welchen Bereich fördert, müssten exakt abgegrenzt werden. Doch das ist eben auch eine Machtfrage: Der Gönner will nicht unerkannt bleiben.

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Foto: APA/Punz Pröll wollte Förderunge­n erfassen: Das Projekt stockt.

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