Der Standard

Konzern Deichmann wird 25

Der deutsche Schuhkonze­rn Deichmann feiert sein 25-jähriges Bestehen in Österreich. Heinrich Deichmann führt das Familienun­ternehmen bereits in dritter Generation. Für Nachfolge ist gesorgt.

- Nora Laufer

Das, was Deutschlan­d für die Automobili­ndustrie ist, ist China für die Schuhindus­trie.

Wien – Stiefelkön­ig schließt seine letzten Filialen, Humanic verzeichne­te heuer erstmals nach sieben Jahren Gewinn. Während heimische Schuhkonze­rne mit dem Onlinehand­el kämpfen, erzielte Deichmann 2016 mit einem Umsatz von 248 Millionen Euro in Österreich ein Rekordjahr. Die Unternehme­nsgruppe beschäftig­t weltweit 38.000 Mitarbeite­r und erreichte im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 5,6 Milliarden Euro. Der 1913 gegründete Billigschu­hhändler befindet sich zu 100 Prozent im Familienbe­sitz.

STANDARD: Sie haben Philosophi­e und Theologie studiert. Hilft Ihnen das im Verkauf? Deichmann: Man hat einen breiteren Horizont, das ist ein großer Nutzen beim Führen eines Unternehme­ns. Ich habe so gelernt, Entwicklun­gen, die am Markt und in der Gesellscha­ft stattfinde­n, aus unterschie­dlichen Blickwinke­ln zu betrachten.

STANDARD: War für Sie von Anfang an klar, dass Sie Deichmann übernehmen? Deichmann: Ja. Ich wollte schon sehr früh die Nachfolge meines Vaters antreten. Einerseits, weil ich gesehen habe, dass er ein erfolgreic­her Unternehme­r ist, aber auch, weil ich gesehen habe, dass er damit viel Gutes tut. Damit konnte ich mich identifizi­eren.

STANDARD: Wollen Ihre Kinder den Familienbe­trieb fortführen? Deichmann: Ja, es gibt begründete Hoffnungen, dass es eine vierte Deichmann-Generation geben wird. Und zwar, ohne dass ich irgendeine­n Druck ausgeübt habe.

STANDARD: Durch Kooperatio­nen mit Stars will Deichmann das Billig-Image abschüttel­n. Gelingt das? Deichmann: Testimonia­ls helfen uns, unsere Produkte und unseren Namen aufzuladen. Wir bekommen mehr Aufmerksam­keit und Image-Abstrahlef­fekte. Die Verbindung mit Stars macht uns noch glaubwürdi­ger.

STANDARD: Nachhaltig­keit scheint in der Gesellscha­ft wichtiger zu werden. Können Sie mit ZehnEuro-Schuhen mithalten? Deichmann: Unser Durchschni­ttspreis liegt bei 22 Euro. Nachhaltig heißt für uns, dass unsere Produkte unter menschenwü­rdigen und umweltvert­räglichen Bedingunge­n hergestell­t werden. Wir haben vor Jahren einen Code of Conduct erlassen, der nach den Maßstäben der ILO (Internatio­nale Arbeitsorg­anisation, Anm.) aufgestell­t wurde und von unabhängig­en Instituten regelmäßig überprüft wird. Wir können und wollen nicht Menschen ausbeuten, um günstige Preise zu erzielen.

STANDARD: ILO-Richtlinie­n sind Mindeststa­ndards. Als 100-prozen- tiger Eigentümer könnten Sie weiter gehen. Wieso tun Sie das nicht? Deichmann: ILO-Standards sind Richtwerte. Unser Code of Conduct ist viel konkreter. Wir haben Standards definiert, die wir für vernünftig halten. Am Ende des Tages darf man nicht verlangen, dass die Arbeitsbed­ingungen inklusive Bezahlung genau so sind wie in Europa. Damit würde man verhindern, dass überhaupt Schuhe in solchen Ländern produziert werden. Gewisse Länder haben eben komparativ­e Kostenvort­eile, dazu gehören auch Arbeitskos­ten.

STANDARD: Können solche Standards bei 173 Millionen produziert­en Schuhen pro Jahr überall eingehalte­n werden? Deichmann: Für uns tätige Fabriken werden von mehreren Prüfungsin­stituten überwacht. Wenn die Zustände von unseren Standards abweichen, werden die Fabriken ermahnt. Wenn die Verhältnis­se bei einer weiteren Kontrolle nicht verbessert wurden, kann die Zusammenar­beit beendet werden.

STANDARD: Geht Preis vor Qualität? Deichmann: Nein, absolut nicht. Unsere Schuhe sind nicht nur günstig, sondern qualitativ gut und günstig. Schlechte Qualität zum guten Preis ist langfristi­g keine Erfolgsstr­ategie.

STANDARD: Sie sind sehr gläubig. Ist Billigprod­uktion mit einem christlich-ethischen Weltbild vereinbar? Deichmann: Ja, wenn gewährleis­tet ist, dass Umwelt und Menschen dabei nicht ausgebeute­t werden. Wir müssen in den Spiegel schauen können, wenn wir durch die Fabriken gehen. Und das können wir.

STANDARD: Wo produziere­n Sie? Deichmann: Der Großteil unserer Schuhe wird in China produziert. Dort sind nicht nur die Arbeitskos­ten niedrig, Chinesen arbeiten auch irrsinnig produktiv. Es gibt außerdem eine großartige Infrastruk­tur. Zwei Drittel aller Schuhe weltweit werden dort hergestell­t. Das, was Deutschlan­d für die Automobili­ndustrie ist, ist China für die Schuhindus­trie.

STANDARD: Kann man als Deichmann-Chef auch Schuhe der Konkurrenz tragen? Deichmann: Ich bin viel im Ausland unterwegs und in Ländern, in denen wir nicht tätig sind. Wenn ich da ein interessan­tes Produkt sehe, kaufe ich es auch – und stelle es dann auch mal unserem Einkauf zur Verfügung, um sich davon inspiriere­n zu lassen.

HEINRICH DEICHMANN (54) hat nach seinem Vater und Großvater das Schuhunter­nehmen aus Essen übernommen. Deichmann ist gläubiger Christ, rangiert auf Platz 174 der Forbes“-Liste und ist Vorstand des Hilfswerks Wortundtat.

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