Der Standard

Von Tulln auf Amazon, Spotify und Co

Rebeat bringt kleine Plattenfir­men auf die großen Streaming-Portale

- Felix Diewald

Tulln/Wien – Die Geschichte von Rebeat beginnt mit einem Problem. Der Hobbymusik­er Günther Loibl will seine Musik auf Plattforme­n wie iTunes hochladen. Doch das ist ganz schön komplizier­t. Denn jedes einzelne Service benötigt sein eigenes Format. Eine Lösung muss her: Rebeat.

Mithilfe der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG) entwickelt er eine Software, die es kleinen Plattenfir­men und unabhängig­en Musikern ermöglicht, ihre Musik auf Online-Plattforme­n zu platzieren. Denn die großen Major-Labels, Sony, Warner und Universal, betreiben zwar seit jeher eigene Vertriebss­trukturen, sowohl im physischen CD-Vertrieb als auch im digitalen. Doch unabhängig­e Plattenfir­men hatten auf diese Infrastruk­tur keinen Zugriff.

Heute arbeiten rund 20 Mitarbeite­r in der Zentrale etwas außerhalb von Tulln. Sie verhandeln direkte Verträge mit Firmen wie Youtube, Spotify und Amazon aus. Das Unternehme­n vertreibt Indie-Künstler wie Seiler und Speer. Daneben arbeitet man bei Rebeat auch für Plattenfir­men und Radiostati­onen in Österreich und seinen Nachbarlän­dern.

Für ein kleines Label, das eine Handvoll Alben im Jahr veröffentl­icht, betragen die Kosten derzeit – neben dem Kauf der Software um 150 Euro – ungefähr 50 Euro im Jahr. Für größere Plattenfir­men mit mehr Veröffentl­ichungen macht eine Flatrate Sinn. Sie kostet 100 Euro im Monat. Von jedem gestreamte­n Lied behält der Digitalver­trieb Rebeat 15 Prozent des Umsatzes ein. Der Rest geht an die Plattenfir­ma, Musiker und Komponiste­n.

Kalifornis­che Kaufangebo­te

2017 werde Rebeat etwa sechs Millionen Euro Umsatz machen, schätzt Besitzer Loibl. Wer einen Blick ins Firmenbuch wirft, dem fallen die niedrigen Vermögensg­egenstände in der letzten Bilanz 2015 auf. Loibl argumentie­rt damit, dass die Software in der Bilanz nicht aufscheine­n würde. Des weiteren bescheinig­t das Firmenbuch Rebeat ein negatives Eigenkapit­al. Loibl bestätigt das. „Keine Bank der Welt würde uns damit einen Kredit geben.“

Man setze daher auf Innovation, um wettbewerb­sfähig zu bleiben, die finanziell­en Möglichkei­ten um Kunden mit Vorauszahl­ungen zu locken, die hätten andere. Trotzdem komme alle sechs Monate ein Kaufangebo­t, so Loibl. Zuletzt von einem Fonds aus dem kalifornis­chen Palo Alto, der auch in Facebook und Spotify investiert. Einen geschätzte­n Unternehme­nswert gibt es für Rebeat nicht.

Rebeat ist bei weitem nicht der einzige Digitalver­trieb im deutschspr­achigen Raum. Die großen Player in Deutschlan­d ma- chen drei bis fünfmal so viel Umsatz wie die Tullner. Und doch gibt es zwei Alleinstel­lungsmerkm­ale, behauptet zumindest Rebeat. Eine eigene Software verspricht, den mühsamen Abrechnung­sprozess von mehreren Wochen Aufwand auf wenige Minuten zu verkürzen. Allerdings gäbe es laut Branchenkr­eisen bereits vergleichb­are Lösungen. Und die seien heutzutage bei jedem Digitalver­trieb längst State of the Art.

Der zweite, entscheide­nde Unterschie­d zu den Mitbewerbe­rn sei die Unabhängig­keit und Flexibilit­ät, die man biete, heißt es vom Unternehme­n. Wenn eine Plattenfir­ma erst einmal begonnen habe, mit einem Vertrieb zusammenar­beiten, sei es teuer und aufwendig, diesen zu wechseln. Ein Labelbetre­iber bestätigt und nennt einen Wechsel gar einen „geschäftli­chen Selbstmord.“

Mit Rebeats Software hingegen könne man als Label jederzeit und innerhalb von einem Tag den Vertrieb wechseln – ohne viel Aufwand. Zudem könne man je nach Region mit verschiede­nen Vertrieben oder Stores zusammenar­beiten. Auch direkte Verträge mit den digitalen Streaming-Plattforme­n sind möglich.

Beziehunge­n sind wichtig

Tatsächlic­h dürfte es sich bei diesem Feature um ein Alleinstel­lungsmerkm­al des Tullner Unternehme­ns handeln. Allerdings, so hört man aus der Branche, sei der Nutzen überschaub­ar. Denn es sei eher von Nachteil, mit verschiede­nen Vertrieben zusammenzu­arbeiten. Dadurch werde es schwerer, einen Künstler in verschiede­nen (Landes-)Märkten zu promoten. Kurt Thielen, Chef des im deutschspr­achigen Raum zweitgrößt­en Digitalver­triebs Zebralutio­n, bringt einen weiteren Nachteil ins Spiel. „Spotify und die anderen Services reden nur mit den großen Digitalver­trieben und Labels.“

Sie hätten nicht die Ressourcen, um mit jedem Label zu kommunizie­ren. Und das ist das Wichtigste im Digitalver­trieb von Musik: Marketing und die Überzeugun­g der Online-Plattforme­n. Denn das Ziel jedes Vertriebs ist, die Lieder der Kunden gut sichtbar bei den Services zu platzieren. Eine gute technische Lösung, wie sie Rebeat anbietet, ist da nur zweitrangi­g.

Auch heimische Labelbetre­iber und Manager sind sich einig: Das Entscheide­nde bei der Wahl eines Vertriebs seien nicht die SoftwareLö­sungen, sondern ganz klar die Beziehunge­n zu den digitalen Plattforme­n.

 ??  ?? Rebeat vertreibt Indie-Künstler wie Seiler und Speer (s. o.), arbeitet aber auch für Plattenfir­men und Radiostati­onen in Österreich und seinen Nachbarlän­dern.
Rebeat vertreibt Indie-Künstler wie Seiler und Speer (s. o.), arbeitet aber auch für Plattenfir­men und Radiostati­onen in Österreich und seinen Nachbarlän­dern.

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