Der Standard

Was der Kinderbonu­s Familien bringt und kostet

Sebastian Kurz möchte das Steuerrech­t umkrempeln. Ein neuer Kinderbonu­s soll eingeführt werden. Mittlere Einkommen würden davon am meisten profitiere­n – mit ein paar Einschränk­ungen.

- András Szigetvari

Wien – Das neue ÖVP-Wirtschaft­sprogramm sieht in der Familienpo­litik weitreiche­nde Änderung vor, insbesonde­re im Steuerrech­t. Die Konsequenz­en der Vorschläge sind vielfältig und komplex, ÖVPChef Sebastian Kurz musste jedenfalls seine zu Wochenbegi­nn präsentier­ten Pläne schon am Mittwoch ergänzen, damit Alleinerzi­eherinnen nicht durch die Finger schauen. Aber der Reihe nach.

Künftig soll es für Familien nach den ÖVP-Plänen ein Steuerbonu­s in Höhe von bis zu 1500 Euro für jedes Kind unter 18 Jahren geben, das in Österreich lebt und für das Familienbe­ihilfe bezogen wird. Förderunge­n wie die Familienbe­ihilfe bleiben zumindest für im Inland lebende Kinder unangetast­et. Im Gegenzug würde aber die derzeit bestehende Steuerguts­chrift abgeschaff­t.

Aktuell können Eltern bis zu 2300 Euro an Kosten für Kinderbetr­euung für ein Kind bis zum zehnten Lebensjahr steuerlich absetzen. Hinzu kommt ein Absetzbetr­ag in Höhe von 440 Euro pro Kind, der allen zusteht.

Wie wirken sich die angedachte­n Reformen der ÖVP aus? Der Bonus bringt Geringverd­ienern, die so wenig Einkommen erzielen, dass sie keine Steuer zahlen müssen, nichts. Allerdings hatte diese Gruppe auch vom Status Quo keinen Vorteil, weil sie schon derzeit keine Abzüge geltend machen konnten. 30 Prozent der unselbstän­dig Beschäftig­ten in Österreich verdienen so wenig, dass sie unter der Steuerschw­elle bleiben.

Positiv wirkt sich das Modell für alle anderen Familien aus, laut ÖVP soll der Kinderbonu­s das Budget um zwei Milliarden im Jahr zusätzlich belasten. Wobei die Vorteile schwanken: Tendenziel­l profitiert vor allem die Mittelschi­cht, Spitzenver­diener würden etwas weniger gewinnen.

Das hat viel damit zu tun, wie das derzeitige System wirkt. Aktuell werden Familien mit einem höheren Einkommen im Steuerrech­t bevorzugt. Das hat zwei Gründe. Zunächst sind es nur diese Familien, die genug Geld haben, um sich die Betreuung in einem privaten Kindergart­en oder einem Feriencamp leisten zu können. Nur sie kommen in der Regel voll auf anrechenba­re Betreuungs­kosten in Höhe von 2300 Euro pro Kind.

Zweitens ist der steuerlich­e Vorteil derzeit für Besserverd­iener mathematis­ch höher. Ein Beispiel: Eine Managerin hat 5000 Euro an Einkommen, das mit einem Tarif von 50 Prozent zu besteuern wäre. Sie müsste 2500 Euro an den Staat abführen. Hätte diese Frau ein Kind, könnte sie die Betreuungs­kosten voll abziehen. Die Steuerbasi­s würde auf 2700 Euro sinken. Die Steuerschu­ld würde dann nur noch 1350 Euro betragen. Bringt 1150 Euro Ersparnis. Nimmt man nun eine Frau aus dem Mittelstan­d, wo 5000 Euro mit einem Tarif von 35 Prozent zu belegen sind, beläuft sich die Ersparnis auf nur 805 Euro.

Mit einem Kinderbonu­s von 1500 Euro würde sich das System grundlegen­d verändern, weil nicht mehr an der Steuerbeme­s- sungsbasis herumgedok­tert wird, sondern jede Familie ihre einmal entstanden­e Steuerschu­ld um 15.000 Euro senken würde.

Norbert Neuwirth vom Institut für Familienfo­rschung hat auf Anfrage des STANDARD eine Modellrech­nung durchgefüh­rt, wie sich so eine Reform auf Familien auswirken würde. Der Einfachhei­t halber macht dabei nur ein Elternteil die Absatz- und Bonusbeträ­ge geltend. Bei Familien mit einem Kind profitiere­n Geringverd­iener am stärksten, dann flacht die Kurve ab. Bei Mehrkinder­familien gewinnen mittlere Einkommen am meisten. Bei einem zu versteuern­den Jahreseink­ommen von 31.000 Euro (unterer Mittelstan­d) und zwei Kindern beläuft sich der Steuervort­eil mit dem Bonus auf 1000 Euro gegenüber dem Status

quo. Allerdings: Familien, die ihre Kinder in private Kindergärt­en schicken oder hohe Kosten für Nachmittag­sbetreuung haben, gewinnen mit der Reform deutlich weniger hinzu als Familien, die bisher öffentlich­e und beitragsfr­eie Einrichtun­gen nutzen.

Im Kurz-Plan gibt es Unklarheit­en. Die Absetzkost­en für Betreuung lassen sich aktuell auf Eltern aufteilen, wie das beim Bonus sein soll, ist unklar. Das sorgte am Mittwoch für Wirbel. Die Innsbrucke­r Gesellscha­ft für Angewandte Wirtschaft­sforschung hat die Effekte aller VP-Steueridee­n kalkuliert, inklusive neuer Tarifstufe­n.

Finanz sieht Erleichter­ung

Der Vorschlag wird nur als „bedingt“familienfr­eundlich eingestuft. Paare mit Kind profitiere­n demnach im Schnitt mit 108 Euro pro Monat, die „typischerw­eise einkommens­schwachen Alleinerzi­eher“nur mit 54 Euro. Dieser geringe Zuwachs liegt daran, dass laut der Innsbrucke­r Gesellscha­ft viele Alleinerzi­eher über gar kein steuerpfli­chtiges Einkommen verfügen. Nur ein Bruchteil zahlt so viel Steuer, dass sie den Kurz-Bonus voll ausschöpfe­n könnten.

Als Reaktion kündigte der ÖVPChef an, dass Väter den Bonus an den Alleinerzi­ehenden weitergebe­n müssen. Wie das ablaufen soll, sagt er nicht. Im ÖVP geführten Finanzmini­sterium sieht man indes in einem Kinderbonu­s eine Vereinfach­ung der Bürokratie. Aktuell sind die Regelungen dazu, welche Betreuungs­kosten anerkannt werden, komplex.

Wenig Details gibt es zur Gegenfinan­zierung der ÖVP-Ideen, so lässt sich auch nicht sagen, wer durch geplante Einsparung­en bei Förderunge­n verlieren würde.

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Aus dem Archiv: Hoher Besuch in einem Wiener Kindergart­en. Außenminis­ter und ÖVP-Chef Sebastian Kurz will Familien mit in Österreich lebenden Kindern steuerlich entlasten.

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