Was der Kinderbonus Familien bringt und kostet
Sebastian Kurz möchte das Steuerrecht umkrempeln. Ein neuer Kinderbonus soll eingeführt werden. Mittlere Einkommen würden davon am meisten profitieren – mit ein paar Einschränkungen.
Wien – Das neue ÖVP-Wirtschaftsprogramm sieht in der Familienpolitik weitreichende Änderung vor, insbesondere im Steuerrecht. Die Konsequenzen der Vorschläge sind vielfältig und komplex, ÖVPChef Sebastian Kurz musste jedenfalls seine zu Wochenbeginn präsentierten Pläne schon am Mittwoch ergänzen, damit Alleinerzieherinnen nicht durch die Finger schauen. Aber der Reihe nach.
Künftig soll es für Familien nach den ÖVP-Plänen ein Steuerbonus in Höhe von bis zu 1500 Euro für jedes Kind unter 18 Jahren geben, das in Österreich lebt und für das Familienbeihilfe bezogen wird. Förderungen wie die Familienbeihilfe bleiben zumindest für im Inland lebende Kinder unangetastet. Im Gegenzug würde aber die derzeit bestehende Steuergutschrift abgeschafft.
Aktuell können Eltern bis zu 2300 Euro an Kosten für Kinderbetreuung für ein Kind bis zum zehnten Lebensjahr steuerlich absetzen. Hinzu kommt ein Absetzbetrag in Höhe von 440 Euro pro Kind, der allen zusteht.
Wie wirken sich die angedachten Reformen der ÖVP aus? Der Bonus bringt Geringverdienern, die so wenig Einkommen erzielen, dass sie keine Steuer zahlen müssen, nichts. Allerdings hatte diese Gruppe auch vom Status Quo keinen Vorteil, weil sie schon derzeit keine Abzüge geltend machen konnten. 30 Prozent der unselbständig Beschäftigten in Österreich verdienen so wenig, dass sie unter der Steuerschwelle bleiben.
Positiv wirkt sich das Modell für alle anderen Familien aus, laut ÖVP soll der Kinderbonus das Budget um zwei Milliarden im Jahr zusätzlich belasten. Wobei die Vorteile schwanken: Tendenziell profitiert vor allem die Mittelschicht, Spitzenverdiener würden etwas weniger gewinnen.
Das hat viel damit zu tun, wie das derzeitige System wirkt. Aktuell werden Familien mit einem höheren Einkommen im Steuerrecht bevorzugt. Das hat zwei Gründe. Zunächst sind es nur diese Familien, die genug Geld haben, um sich die Betreuung in einem privaten Kindergarten oder einem Feriencamp leisten zu können. Nur sie kommen in der Regel voll auf anrechenbare Betreuungskosten in Höhe von 2300 Euro pro Kind.
Zweitens ist der steuerliche Vorteil derzeit für Besserverdiener mathematisch höher. Ein Beispiel: Eine Managerin hat 5000 Euro an Einkommen, das mit einem Tarif von 50 Prozent zu besteuern wäre. Sie müsste 2500 Euro an den Staat abführen. Hätte diese Frau ein Kind, könnte sie die Betreuungskosten voll abziehen. Die Steuerbasis würde auf 2700 Euro sinken. Die Steuerschuld würde dann nur noch 1350 Euro betragen. Bringt 1150 Euro Ersparnis. Nimmt man nun eine Frau aus dem Mittelstand, wo 5000 Euro mit einem Tarif von 35 Prozent zu belegen sind, beläuft sich die Ersparnis auf nur 805 Euro.
Mit einem Kinderbonus von 1500 Euro würde sich das System grundlegend verändern, weil nicht mehr an der Steuerbemes- sungsbasis herumgedoktert wird, sondern jede Familie ihre einmal entstandene Steuerschuld um 15.000 Euro senken würde.
Norbert Neuwirth vom Institut für Familienforschung hat auf Anfrage des STANDARD eine Modellrechnung durchgeführt, wie sich so eine Reform auf Familien auswirken würde. Der Einfachheit halber macht dabei nur ein Elternteil die Absatz- und Bonusbeträge geltend. Bei Familien mit einem Kind profitieren Geringverdiener am stärksten, dann flacht die Kurve ab. Bei Mehrkinderfamilien gewinnen mittlere Einkommen am meisten. Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 31.000 Euro (unterer Mittelstand) und zwei Kindern beläuft sich der Steuervorteil mit dem Bonus auf 1000 Euro gegenüber dem Status
quo. Allerdings: Familien, die ihre Kinder in private Kindergärten schicken oder hohe Kosten für Nachmittagsbetreuung haben, gewinnen mit der Reform deutlich weniger hinzu als Familien, die bisher öffentliche und beitragsfreie Einrichtungen nutzen.
Im Kurz-Plan gibt es Unklarheiten. Die Absetzkosten für Betreuung lassen sich aktuell auf Eltern aufteilen, wie das beim Bonus sein soll, ist unklar. Das sorgte am Mittwoch für Wirbel. Die Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung hat die Effekte aller VP-Steuerideen kalkuliert, inklusive neuer Tarifstufen.
Finanz sieht Erleichterung
Der Vorschlag wird nur als „bedingt“familienfreundlich eingestuft. Paare mit Kind profitieren demnach im Schnitt mit 108 Euro pro Monat, die „typischerweise einkommensschwachen Alleinerzieher“nur mit 54 Euro. Dieser geringe Zuwachs liegt daran, dass laut der Innsbrucker Gesellschaft viele Alleinerzieher über gar kein steuerpflichtiges Einkommen verfügen. Nur ein Bruchteil zahlt so viel Steuer, dass sie den Kurz-Bonus voll ausschöpfen könnten.
Als Reaktion kündigte der ÖVPChef an, dass Väter den Bonus an den Alleinerziehenden weitergeben müssen. Wie das ablaufen soll, sagt er nicht. Im ÖVP geführten Finanzministerium sieht man indes in einem Kinderbonus eine Vereinfachung der Bürokratie. Aktuell sind die Regelungen dazu, welche Betreuungskosten anerkannt werden, komplex.
Wenig Details gibt es zur Gegenfinanzierung der ÖVP-Ideen, so lässt sich auch nicht sagen, wer durch geplante Einsparungen bei Förderungen verlieren würde.