Der Standard

Großwildjä­ger Igor Setschin

Korruption­sprozess um Ex-Wirtschaft­sminister wirft Fragen zu Rosneft-Chef auf

- André Ballin

Moskau – „Nimm das Körbchen mit“, ermuntert Rosneft-Chef Igor Setschin seinen Gast. „Von Iwanitsch“, steht auf den Wurstpaket­en, die darin liegen. Iwan(ow)itsch ist der Vatersname Setschins und die Wurstpaket­e stammen aus eigener Produktion und eigenem Abschuss. Gewöhnlich schenkt sie der mächtige russische Ölmanager Freunden und Partnern.

Wirtschaft­sminister Alexej Uljukajew ist kein Freund. Laut Setschin jedenfalls ist er Erpresser, der zwei Millionen Dollar forderte und drohte, anderenfal­ls die Geschäfte Rosnefts zu behindern. „Das ist ein Verbrechen, da gibt es nichts zu diskutiere­n“, bekräftigt­e Setschin nun noch einmal die Vorwürfe, aufgrund derer Uljukajew seit zehn Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt; seit er mit eben jenem Wurstkörbc­hen und einer Tasche voll Bargeld aus dem Rosneft-Büro spazierte. Doch der Prozess wirft einige Fragen zur Rolle Setschins auf.

Uljukajew behauptet, in eine Falle gelockt worden zu sein. Er habe geglaubt, in der Tasche sei lediglich Wein. Das hatte er auch bei der Verhaftung angegeben, als die Ermittler ihn nach dem Inhalt der Tasche fragten.

Anweisung erfüllt

Das Gesprächsp­rotokoll, das die Staatsanwa­ltschaft als Beweis für die Schuld des Ex-Ministers präsentier­te, lässt zumindest viele Deutungen offen. Einzig Setschins Bemerkung auf Band, dass die „Anweisung“des Ministers erfüllt worden sei, lässt sich als Erfüllung der Bestechung­sforderung interpreti­eren. Uljukajew geht darauf allerdings nicht ein.

Ein Beweis sei dies daher nicht. „In den Protokolle­n ist überhaupt nichts Handfestes drin“, klagt der inzwischen zur Opposition gewechselt­e Ex-Vizeenergi­eminister Wladimir Milow. Wenn es Beweise für eine Schuld Uljukajews gibt, solle die Staatsanwa­ltschaft sie endlich präsentier­en, sonst sehe vieles nach einem abgekartet­en Spiel aus, mahnt Milow.

Uljukajew hatte im vergangene­n Jahr lange gegen die Beteiligun­g der staatliche­n Rosneft an der „Privatisie­rung“des kleineren Ölkonzerns Baschneft opponiert. Am Ende setzte sich Setschin dank seines direkten Drahts zu Präsident Wladimir Putin und eines laut Experten überteuert­en Angebots (fünf Milliarden Dollar) für Baschneft aber durch.

Setschin gilt auch als treibende Kraft bei der Inhaftieru­ng des ExOligarch­en Michail Chodorkows­ki und der Zerschlagu­ng seines Yukos-Konzerns, auf dessen Trümmern Setschin später sein eigenes Rosneft-Imperium aufbaute.

Daher halten sich hartnäckig Gerüchte, dass die Festnahme Uljukajews eine Machtdemon­stration des passionier­ten Jägers Setschin war, das anderen Beamten als Warnung dienen soll, ihm bei seinen Geschäften nicht in die Quere zu kommen – ansonsten droht ihnen der Abschuss. Uljukajew hat in dem Prozess noch nicht ausgesagt. Seine Angaben zu dem Fall dürften spannend werden.

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