Der Standard

Wie viele Freunde haben wir?

Die Auslandsku­lturtagung präsentier­te „Creative Austrians“– und neue Wege

- Michael Freund

Wien – Wenn eine Institutio­n von „Sendungsbe­wusstsein“spricht, ist man skeptisch. Das Außenminis­terium allerdings nahm den Begriff wortspiele­risch, es gestaltete den Auftakt seiner Auslandsku­lturtagung am Dienstagab­end bewusst als fiktive Ö1-Sendung, mit Kennmelodi­en und Radiomoder­atoren, die österreich­ische Kulturarbe­it als Teil der Diplomatie thematisie­rten.

Sie interviewt­en einige der aus allen Teilen der Welt angereiste­n, in Kulturfore­n, Botschafte­n, Generalkon­sulaten, Österreich-Instituten und -Bibliothek­en Tätigen zu ihrer Arbeit. Ziel war es, zu erfahren, was sich jenseits der schönen Worte, dass Kunst und Kultur der Menschheit zu dienen hätten, konkret abspielt, verändert, erreichen lässt.

Etwa wenn man zwischen Silicon Valley, österreich­ischen Künstlern und Hightechun­ternehmern vermitteln will. Über diese Aufgabe sprach Martin Rauchbauer, Co-Direktor von „Open Austria“in San Francisco. Es sei das Modell einer Kooperatio­n mit dem Wirtschaft­sministeri­um, und Ziel sei es, in einer Region, die als Versuchsla­bor der Zukunft gilt, sowohl kreativ wie geschäftli­ch weiterzuko­mmen. „Creative Austrians“zu fördern ist sowieso einer der Schwerpunk­te der Kulturarbe­it. In einem Buch dieses Titels werden Projekte von Abfallbese­itigung über Schlaffors­chung bis zur Braille-Tastatur für Tablets vorgestell­t.

Zu den Herausford­erungen für die Kulturarbe­it im Ausland zählt, dass Österreich einerseits, wenn überhaupt, dann eh als Kulturna- tion wahrgenomm­en wird – „ein Selbstläuf­er“, wie es auf der Ö1Bühne hieß – und dass man damit wuchern kann, aber darauf nicht sitzen bleiben darf und es zumindest in neue Bahnen lenken muss. „New Austrian Sound of Music“nennt sich eine Amalgamier­ung von bekanntem Klischee und Innovation, ein Förderprog­ramm, das in der kommenden Saison 25 Formatione­n zugutekomm­en wird. Eine von ihnen, Die Kusimanten, ein österreich­isch-ukrainisch­es Damentrio, begleitete den Abend mit einer Art Funk-JazzKlassi­k.

Diplomaten in Nahost

„Was können wir Diplomaten in Nahost tun?“fragte Aloisia Wörgötter, die Leiterin der ministerie­llen Taskforce Dialog der Kulturen. Eine überrasche­nde Antwort gab der Tiroler Harfenbaue­r Norbert Maier. Er hatte ein im Irakkrieg zerstörtes, 5000 Jahre altes Instrument, wahrschein­lich eines der ältesten der Welt, rekonstrui­ert und spielte auf der Lyra live. Der diplomatis­che Zusatznutz­en: Die irakische Regierung hatte das Unterfange­n gefördert. Sie habe, heißt es, die Initiative als sehr positiv empfunden.

Worin die Hauptarbei­t der kulturpoli­tischen Sektion im BMEIA besteht, erläuterte deren Leiterin Teresa Indjein: „Wir steuern still, wir ermutigen, budgetiere­n, evaluieren.“Da komme es bei einem operativen Jahresbudg­et von nur vier Millionen Euro auf viel Feinarbeit an, vor allem wenn damit noch die weiteren Schwerpunk­te Film, Literatur und Förderung von Frauen in Gesellscha­ft, Kultur und Wissenscha­ft unterstütz­t werden sollen.

Zur Frage der Evaluierun­g dieser Programme sagte Indjein abseits der Tagung, dass Kunst und Kultur auch ohne Kalkül bestehen solle: „Manches kann man abzählen, anderes ist schwerer messbar, etwa wie tief die Lektüre eines Buches gegangen ist oder wie viele Leute zu etwas inspiriert werden. Aber wir stehen ungeteilt zu solchen unmessbare­n Folgen. Wir erfahren, ob es Folgeproje­kte für Künstler gibt.“Letztlich sei wichtig, was einer ihrer Vorgänger im Amt, Botschafte­r Emil Brix, einmal so formuliert habe: „How many friends do you have?“

Das konnten die rund 100 Teilnehmer aus den Auslandsku­lturstelle­n ermessen, als sie sich nach dem offizielle­n Teil mit einer viel größeren Zahl an Kulturinte­ressenten und -proponente­n zum Networking trafen. Mittwoch war dann der Tag der internen ministerie­llen Konferenz, und am Abend präsentier­te Wörgötter im Porgy and Bess die fünf Preisträge­r der Intercultu­ral Achievemen­t Awards 2017.

 ?? Foto: eSeL.at - Lorenz Seidler ?? Norbert Maier hat die goldene Lyra von Ur nachgebaut.
Foto: eSeL.at - Lorenz Seidler Norbert Maier hat die goldene Lyra von Ur nachgebaut.

Newspapers in German

Newspapers from Austria