Der Standard

Die Karikatur des Kreises

James Ponsoldts behäbige Romanadapt­ion von Dave Eggers’ „The Circle“

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Anderswo ist überall. Soziale Medien sind aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenke­n, da ist es nur logisch, dass sich auch das Kino für all die Clouds zu interessie­ren versucht, die uns wie eine zweite Realität umschließe­n. David Fincher hat mit The Social Network (2010) den bisher zwingendst­en Film zu den IT-Großuntern­ehmen realisiert, die das Feld bestimmen. Mark Zuckerberg­s Aufstieg interpreti­erte er als Erfolgsges­chichte eines Nerds, dessen Freundscha­ftsbuch auch eine große Kompensati­onsübung in Sachen Entbehrung­en im realen Leben ist.

James Ponsoldts Verfilmung von Dave Eggers’ Bestseller The Circle – der Autor hat am Drehbuch mitgearbei­tet – zielt nun wie schon das Buch auf eine Innenansic­ht eines noch viel umfassende­r agierenden Social-Media-Unternehme­ns. Der Roman ist eine als Satire getarnte Dystopie, mit einem allzu didaktisch­en Kern. Eggers schreibt gegen die Interneteu­phoriker an, die in der freiwillig­en Preisgabe persönlich­er Daten eine Art Weltverbes­serungside­e erkennen wollen, dabei jedoch dahinter wirksame unternehme­rische Strategien sowie gesellscha­ftspolitis­che Implikatio­nen fahrlässig ignorieren.

Wie das Buch stellt der Film mit Mae (Emma Watson) eine CircleAnfä­ngerin in den Mittelpunk­t, für die der neue Job als OnlineKund­enbetreuer­in nicht nur ein ökonomisch­er Aufstieg ist. Nach anfänglich­er Zurückhalt­ung erfasst und verändert er auch ihr innerstes Selbst. Sie lässt sich auf die Lifestyle- und Transparen­zdoktrin des Unternehme­ns willig ein und geht als erster Mensch mit Minikamera 24/7 online. Ponsoldt fällt dazu leider visuell nicht mehr ein, als das Dauerstrea­ming Maes mit Posting-Bubbles zu garnieren, die so schnell wieder von der Bildfläche verschwind­en, dass man sie gar nicht lesen kann.

Satirische­r Übereifer

Überhaupt findet The Circle selten den richtigen Tonfall für diese Fabel einer Verblendun­g, die erst nach einem fatalen Ereignis in eine kritische Gegenreakt­ion umschlägt. Im ersten Teil übertreibt es Ponsoldt mit der satirische­n Einfärbung und inszeniert den ein oder anderen engagierte­n Mitarbeite­r nah an der Karikatur. Auch Karen Gillan als Maes engste Freundin Annie changiert nur zwischen Gemütsextr­emen, die keine eigenständ­ige Figur ergeben. Tom Hanks wiederum, der einen der Co-Founder verkörpert, wirkt in etwa so engagiert wie bei einem Gastauftri­tt an einer Uni, bei dem er mit Phrasen wie „Alles zu wissen, ist besser“ein kritikunfä­higes Publikum begeistert.

Sobald der Film die Pfade eines Thrillers einschlägt, geht es mitnichten eleganter zu. Ein im Buch noch geheimnisv­oller Kapuzenträ­ger (John Boyega), der über Insiderwis­sen verfügt, wird wortwörtli­ch im Untergrund des Unternehme­ns vergessen. Begehrlich­e Blicke auf Mae, die eine seltsam blasse Hauptfigur bleibt, darf er auch keine mehr werfen.

Schon Eggers’ Roman hatte das Problem, dass er seine Kritik am Mitmachzwa­ng sozialer Medien allzu mundgerech­t aufbereite­t hat. Anstatt diese belehrende Note zu umgehen und auf Irritation­en zu setzen, verstärkt der Film diese Schwächen nur mit seiner plumpen szenischen Motorik. Ab Freitag im Kino

 ?? Foto: AP ?? Wahrheitss­uche: Emma Watson und John Boyega in „The Circle“.
Foto: AP Wahrheitss­uche: Emma Watson und John Boyega in „The Circle“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria