Wahl im TV: Männer reden doppelt so lang wie Frauen
Studie: Politikerinnen sind in ORF-Hauptnachrichten deutlich unterrepräsentiert
Wien – In Wahlzeiten kämpfen alle Parteien um Präsenz im Fernsehen, Auftritte dort können wahlentscheidend sein. Dieser Wahlkampf im TV ist offenbar noch immer hauptsächlich Männersache. Zumindest in den Hauptnachrichten des ORF um 19.30 Uhr. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die Forscher untersuchten ZiB 1- Sendungen während der vier Natio- nalratswahlkämpfe zwischen 2002 und 2013, analysiert wurden die Sendungen jeweils sechs Wochen vor dem Wahltermin.
„Die Chance, im Wahlkampf zumindest einmal in den Fernsehnachrichten aufzutreten ist für männliche und weibliche Abgeordnete zwar ähnlich hoch“, sagen die Studienautoren Josef Seethaler und Gabriele Melischek, „doch bei der Häufigkeit der Auftritte und vor allem bei der Rede- zeit zeigt sich über die Jahre hinweg eine beständige Benachteiligung von Frauen.“
Die Autoren werteten aus, ob eine Politikerin in den Sendungen zu Wort kam und wie häufig sie im Fernsehen auftrat. Außerdem wurde die Gesamtredezeit einer Abgeordneten aus allen Fernsehauftritten ermittelt. Diese Zahlen verglichen die Wissenschafter dann mit der Entwicklung des Frauenanteils im Parlament im selben Zeitraum.
Weniger Auftritte
Nur jede zweite Politikerin kam laut der Studie nach einem ersten Fernsehauftritt noch einmal in den Nachrichten zu Wort, bei den Männern hatten zwei von drei diese Möglichkeit. Deutlich unterrepräsentiert waren Frauen auch bei der Redezeit: Gegenüber 74 Sekunden durchschnittlicher Gesamtredezeit eines Mannes brachte es eine Politikerin auf nur 32 Sekunden. Verglichen mit dem Frauenanteil von 31 Prozent im Nationalrat betrug die Redezeit weiblicher Abgeordneter in den ORF- ZiB 1Sendungen während der letzten vier Wahlkämpfe insgesamt im Schnitt nur rund 15 Prozent. Für Frauen besser lief es bei der Wahl 2013. Damals erreichte die Gesamtredezeit von Frauen in den TV-Nachrichten mit knapp 24 Prozent ihren bisher höchsten Wert. Am häufigsten zu Wort kam übrigens bei allen vier vergangenen Nationalratswahlen Ex-GrünenChefin Eva Glawischnig. Die mediale Benachteiligung von Politikerinnen sei aber nur eine Seite des Problems, sagt Studienautor Josef Seethaler zum STANDARD, „die andere – und aus meiner Sicht viel entscheidendere – ist die Stagnation des Frauenanteils im Parlament. 2002 lag Österreich mit seinem parlamentarischen Frauenanteil weltweit an achter, heute an 46. Stelle“
Wie intensiv ein Politiker oder eine Politikerin von der Partei vermarktet wird, hat auch Einfluss auf Auftritte und Redezeit. Das wirke sich aber nur für Männer positiv aus. Warum das so ist, sollen weitere Untersuchungen klären. „Obwohl es die PR der Parteien seit den 1990er-Jahren gelernt hat, ihre Anliegen so darzustellen, dass sie auf eine breite Medienresonanz stoßen, gibt es offenbar Nachholbedarf, wenn es darum geht, die Politik von Frauen zu kommunizieren“, sagt Seethaler. Er hofft hier auf eine Änderung, denn „die Unterrepräsentation von Frauen in Politik und Gesellschaft bedeutet ein ernstes demokratisches Defizit“. (ae)