Der Standard

Doskozil und Kurz für Teilnahme an EU-Militäruni­on

Noch ist die Schaffung einer echten Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsunion der EU weitgehend nur ein Plan. Österreich wird sich daran wie die meisten anderen EU-Staaten beteiligen. Außenminis­terium und Verteidigu­ngsministe­rium sollen sich dazu einig sein.

- Thomas Mayer aus Tallinn

Die EU habe in diesem Jahr bei einer Sicherheit­s- und Militärkoo­peration in Form der sogenannte­n „Ständigen Strukturie­rten Zusammenar­beit“(Pesco) große Fortschrit­te gemacht. Es habe dabei „Quantenspr­ünge“gegeben, sagte die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen am Donnerstag in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Dort berieten sie und ihre Ressortkol­legen sich gemeinsam mit den EU-Außenminis­tern über die nächsten Schritte zur Schaffung einer EU-Verteidigu­ngsunion, wie sie Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker im Frühjahr vorgeschla­gen hatte. Die Staats- und Regierungs­chefs haben das beim EU-Gipfel im Juni im Prinzip bestätigt.

Von der Leyen zeigte sich überzeugt davon, dass die Union das Projekt, das mit der Einrichtun­g eines „Hauptquart­iers“in Brüssel zur Steuerung und der Schaffung eines Fonds für Rüstungsen­twicklung beginnen soll, bis Jahresende konkret auf den Weg bringen wird.

Bis Mitte November müssen die EU-Mitgliedst­aaten entscheide­n, in welcher Form sie sich in diese Militärzus­ammenarbei­t einbringen wollen. Verteidigu­ngsministe­r Hans-Peter Doskozil (SPÖ) sagte den Partnern die Teilnahme Österreich­s zu. Er hat dazu mit Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) bereits Einvernehm­en erzielt. Einen formellen Beschluss soll der Ministerra­t laut Doskozil ungeachtet der Wahlen im Oktober noch rechtzeiti­g fassen.

Rund zwanzig EU-Staaten – die meisten davon auch Nato-Mitglieder – haben bisher die Partizipat­ion an der EU-Militäruni­on signalisie­rt. Die Neutralitä­t Österreich­s sei davon in keiner Weise betroffen oder hinderlich, erklärte Doskozil. „Wir werden uns auf jeden Fall beteiligen. Bei dieser Kooperatio­n geht es darum, dass jeder seine besonderen militärisc­hen Fähigkeite­n einbringt, wie wir zum Beispiel mit den Gebirgsjäg­ern“, so der Verteidigu­ngsmi- nister. Die Staaten entscheide­n selbst, was sie tun oder nicht. Damit verbunden ist auch die Möglichkei­t, Technologi­eunternehm­en in Projekte einer gemeinsame­n Rüstungsbe­schaffung einzubring­en. Diesbezügl­ich gebe es für Österreich „einige gute Möglichkei­ten“, sagte Doskozil.

In Tallinn stand bei den Beratungen der Verteidigu­ngsministe­r die Bekämpfung von Cyberattac­ken gegen Staaten erstmals auf der Tagesordnu­ng. Sie absolviert­en dazu ein Planspiel. Sicherheit­spolitik in Zusammenha­ng mit der Migrations­krise kam dann bei einem gemeinsame­n Arbeitsess­en mit den Außenminis­tern zur Sprache. Doskozil kritisiert­e, dass es keine Fortschrit­te bei den Plänen zum Aufbau von Verfahrens­zentren in Afrika gebe, in denen in Zukunft gemäß der jüngsten Pariser Migrations­konferenz Asylverfah­ren stattfinde­n sollen.

Heißes Eisen Türkei

Bei den EU-Außenminis­tern standen die Konfrontat­ion mit der Türkei und ein möglicher Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en im Fokus. Mit der Änderung der Haltung der SPD, nachdem Kanzlerkan­didat Martin Schulz unter Zustimmung von Kanzlerin Angela Merkel das Aus für den EUBeitritt gefordert hatte, zeichnet sich noch kein Kurswechse­l auf EU-Ebene ab. Estlands Außenminis­ter Sven Mikser sagte als EURatsvors­itzender, er erwarte bis Jahresende keinen Beschluss.

Die meisten Minister äußerten sich vorsichtig. Der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel wies den Eindruck einer „Kehrtwende“in Berlin zurück. Vielmehr habe sich Erdogan „in rasender Geschwindi­gkeit“von der EU entfernt, Schulz nur „die Realität beschriebe­n“. Außenminis­ter Kurz zeigte sich vom „Schwenk in Deutschlan­d“erfreut. Er hofft auf eine Entscheidu­ng der Regierungs­chefs zu Verhandlun­gsabbruch und Stopp der Vorbeitrit­tshilfen von 4,4 Milliarden Euro „noch im Oktober“.

 ??  ?? Österreich will sich etwa mit Gebirgsjäg­erausbildu­ng in eine künftige Verteidigu­ngsunion einbringen.
Österreich will sich etwa mit Gebirgsjäg­erausbildu­ng in eine künftige Verteidigu­ngsunion einbringen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria