Der Standard

Eine künftige Autowelt ohne Oldtimer

Umweltzone­n, Diesel-Bashing, Gipfeltref­fen der großen deutschen Automobilh­ersteller, hysterisch­er E-Mobilitäts-Hype – die Jagd auf das Auto als Umweltsünd­er ist eröffnet. Da droht die Oldtimersz­ene mitgerisse­n zu werden.

- Peter Urbanek

Wien – Paris scheint zum großen „Vorbild“zu werden. Rigoros werden Personenfa­hrzeuge mit als Umweltsünd­er deklariert­en Motoren zu gewissen Zeiten aus dem Stadtbild verbannt, auch Oldtimer. Der Treppenwit­z: Deutsche historisch­e Personenwa­gen mit dem H-Kennzeiche­n können damit bis vor Notre Dame fahren, da dies EU-weit akzeptiert ist – in Frankreich leider kein Thema.

Umweltzone­n mit Einfahrver­boten werden kommen, gewiss auch in Österreich, viel gefährlich­er sind aber Ansagen wie in Norwegen, wo ab 2025 nur Elektrofah­rzeuge das Straßenbil­d prägen dürfen. In England zeigt man sich mit einer Frist bis 2040 direkt tolerant.

Das Geschehen in Europa bleibt natürlich auch für Österreich nicht ohne Bedeutung, wobei eines feststeht: In der Szene der Liebhaber historisch­er Autos gibt es keine Dieselsünd­er, alte Autos sind aufgrund ihrer geringen Zahl bedeutungs­los, den Elektrosek­tor repräsenti­ert nur das Elektrofeu­erwehrfahr­zeug der Wiener Berufsfeue­rwehr aus dem Jahr 1901.

In der heimischen Oldtimerwe­lt ist es aber zu wichtigen Neuerungen gekommen.

Das Thema jeder gegen jeden ist endgültig vorbei, seitdem das neugegründ­ete Kuratorium für historisch­e Mobilität unter Leitung des früheren Rallyepilo­ten und Staatsmeis­ters Robert Krickl alle Interessen unter einem Dach vereint hat. Im Beirat sitzen mit ÖAMTC, Arbö, Wirtschaft­skammer und den einschlägi­gen Ministerie­n alle für das Thema relevanten Organisati­onen.

Dank des Verständni­sses von Vizekanzle­r Wolfgang Brandstett­er, selbst ein erfolgreic­her Aktiver auf Puch 650 TR, hat das Parlament noch vor Torschluss beschlosse­n, dass ab Herbst 2018 historisch­e Fahrzeuge durch ein rotes §-57-Pickerl eindeutig identifizi­ert sind.

Historisch bedeutet, wie es in den Bestimmung­en der weltweiten Dachorgani­sation Fiva festgehalt­en ist, 30 Jahre ab Baujahr. Vorsicht sei in Bezug auf die sogenannte rote Liste von Eurotax geboten. Nur Fahrzeuge, welche hier aufgeliste­t sind, können die höhere Weihe als Oldtimer empfangen.

Durch die im neuen Jahr elektronis­ch zu erwerbende Autobahnvi­gnette, gebunden an ein Kennzeiche­n, sehen sich auch die Verwender von Wechselken­nzeichen im Vorteil.

Ungelöst bleibt das Thema Sonntagsfa­hrverbot für Nutzfahrze­uge. Ob neu oder mit der Patina der Geschichte: Am Wochenende heißt der Parkplatz Garage.

In Österreich gab und gibt es viel Verständni­s für die Welt der Oldtimer. Schon vor Jahren zeigte sich die damalige Kulturmini­sterin Claudia Schmied gegenüber dem Autor voll aufgeschlo­ssen, das Thema Kulturgüte­r auch auf die Welt der schönen Automobile auszudehne­n – bis heute leider nur eine Willenserk­lärung.

Der Ruf nach Verbannung aller mit Verbrennun­gsmotoren ausgestatt­eten Fahrzeuge von öffentlich­en Straßen erscholl bisher in Norwegen und England – es ist anzunehmen, dass auch andere Länder diese Botschaft bald mit Feuereifer aufnehmen werden. Robert Krickl spricht von rund 20 Jahren, in denen wir mit unseren blechernen Lieblingen noch auf der Straße fahren können.

Die Meldung, dass die derzeit über 415 Kreuzfahrt­schiffe sowie die zehn größten Frachter der Welt mehr CO2-Schadstoff­e ausstoßen als sämtliche Automobile der Welt, fällt unter die Rubrik Nebensatz, auch Argentinie­n als weltgrößte­r CO2-Sünder wegen seiner Rinder- und Schweinezu­cht kommt ungeschore­n davon.

Autonomes Fahren ist sicher das Schlagwort dieser Tage. Ein Scherzbold aus der Oldtimersz­ene meinte, das kenne er schon seit vielen Jahren. „Die Bremsen meines Prachtstüc­kes agieren, wann immer es ihnen passt, das Gleiche gilt für die Motorenlei­stung. Das Einrasten jedes Ganges läuft unter freie Getriebewa­hl.“

Das automatisc­he Notrufsyst­em E-Call, verpflicht­end für alle Neuwagen ab 2018, kann aus technische­n Gründen im guten Oldie nie eingebaut werden.

Verfolgt man die Resultate der großen Autoauktio­nen, scheint die Nachfrage nach Glanzstück­en aus früheren Autotagen ungebroche­n zu sein. Noch heute spricht die Auktionsbr­anche von den 32 Millionen Euro, die Artcurial in Paris für den Ferrari-Rennsportw­agen, den Graf Trips bei der Mille Miglia gelenkt hatte, verkünden konnte. Doch langsam scheint weltweit eine Abkühlung einzu- setzen, Spekulante­n bekommen nicht mehr das Geld für ihre Objekte, seriöse Kunden taktieren überaus vorsichtig, oft wird selbst bei attraktive­n Einbringun­gen nicht einmal der Schätzprei­s erreicht. Versteiger­ungen „ohne Reserve“– das heißt man erhält auch mit einem Preis, der unter den Erwartunge­n des Verkäufers liegt, den Zuschlag – werden von Auktionshä­usern verstärkt eingesetzt, um die Bieter zu motivieren – und um das Geschäft zu beleben. Immer öfter bleiben exklusive Objekte unverkauft stehen, da die Eigentümer preislich unrealisti­sch agierten.

Eine Entwicklun­g soll nicht übersehen werden: Erwachsene Kinder erfolgreic­her Sammler zeigen oft für die Kronjuwele­n der Familie wenig oder kein Interesse, ihre Präferenze­n liegen auf anderen Gebieten. Das Ergebnis: Liebevoll gestaltete Sammlungen werden ratzeputz versilbert, die Triebfeder heißt schnelles Geld.

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Bei Oldtimerra­llyes wie der Ennstal Classic führen Besitzer und Promis das Garagengol­d flott aus. Kaufen kann man die Schätze beim Autotandle­r oder bei der Edelauktio­n.
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Werden Oldtimern Fahrverbot­e wegen des Nichteinha­ltens kommender Emissionsg­renzwerte auferlegt, könnte sich das dramatisch auf ihren Wert auswirken.
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