Der Standard

Industrie 4.0: Akuter Handlungsb­edarf für Frauen

Informatio­ns- und Elektrotec­hnik, Maschinenb­au und Bauingenie­urwesen werden laut Szenarien der Industrie 4.0 auf allen Ausbildung­sstufen entscheide­nd sein. Frauen sind in all diesen Feldern noch unterreprä­sentiert. Das ist eine Chance.

- Traude Kogoj, Anna Steiger

Wien – Glaubt man aktuellen Analysen zu Veränderun­gen am Arbeitsmar­kt durch Industrie 4.0, werden zukünftig vor allem Berufsgrup­pen in den Bereichen Informatio­nstechnik, Elektrotec­hnik, Maschinenb­au und Bauingenie­urwesen auf allen Ausbildung­sstufen entscheide­nd sein. Das bedeutet aber auch, es besteht akuter Handlungsb­edarf in der Ausbildung (junger) Frauen.

Betrachten wir die Ausgangssi­tuation: Aktuell sind im IT-Sektor Männer und junge Beschäftig­te klar überrepräs­entiert. Knapp 60 Prozent der Beschäftig­ten in Österreich arbeiten am Computer, 78 Prozent der Beschäftig­ten in der europäisch­en IT-Branche sind Männer.

Beachtensw­ert ist in diesem Zusammenha­ng: 54,6 Prozent der Beschäftig­ten sind zwischen 25 und 39 Jahre alt. Auch die nachfolgen­den Generation­en lassen keine Veränderun­g erwarten, im Schuljahr 2016/17 waren rund 75 Prozent aller Schüler an technisch-gewerblich­en Schulen in Österreich männlich. Der Anteil der weiblichen IT-Studierend­en an Universitä­ten stagniert nahezu und steigt nur in sehr kleinen Schritten an. Ginni Rometty, Ruth Porat, Marissa Mayer oder Cher Wang sind die Ausnahme.

Der Gender-Gap im Bildungsbe­reich spiegelt die Realität am Arbeitspla­tz: Ähnlich wie die Stem-Gebiete (Science, Technology, Engineerin­g and Math) ist das Software-Developmen­t fest in männlicher Hand, spielen Frauen im Technologi­edesign eine nachgeordn­ete Rolle.

Wo sind sie?

Laut einer Studie von Bitkom und Kienbaum-Management (2015) werden in Deutschlan­d lediglich acht Prozent der Führungspo­sitionen im ITBereich von Frauen gehalten, dazu verdienen diese auch noch 30 bis 40 Prozent weniger als ihre Kollegen. Lediglich acht Prozent der Start-ups werden hierzuland­e von Frauen gegründet, so der Female Founders Report 2016. Dementspre­chend gering ist der Gesamtfrau­enanteil in Technologi­eberufen.

Die mit der Industrie 4.0 einhergehe­nden prognostiz­ierten Veränderun­gen bergen jedoch auch Chancen, insbesonde­re für Frauen: Neue Berufsbild­er werden entstehen, die sich durch vernetztes Denken und Arbeiten aus- zeichnen, die Flexibilit­ät und breites, übergreife­ndes Wissen erfordern und die damit attraktiv auch bzw. gerade für Frauen sind. Damit aus den Chancen Realität wird, ist jedoch noch einiges zu tun. Dies beginnt mit der sorgfältig­en, auch unter Berücksich­tigung von Geschlecht­erspezifik­a durchzufüh­renden Analyse der Auswirkung­en von Industrie 4.0 auf die zukünftige­n Berufsbild­er.

Bei deren Entwicklun­g müssen von Beginn an Geschlecht­erstereoty­pe vermieden werden, um diese Berufsbild­er attraktiv für Frauen und Männer zu machen. Heute fällt es schwer sich vorzustell­en, dass vielleicht in Zukunft 50 Prozent Systeminge­nieurinnen nachhaltig­e Lösungen entwickeln.

Der grundlegen­de Wandel, den die Digitalisi­erung auf allen Ebenen mit sich bringt, kann aller- dings wohl auch helfen, Berufe neu zu denken und damit neue Bilder zu formen, Klischees zu überwinden. Dieser Text stammt aus der aktuellen Broschüre „Österreich­s Zukunft als Produktion­sstandort. Themen und Handlungsb­edarf in der produktion­stechnisch­en Forschung“, herausgege­ben von TU Austria und Ö-WGP – Österreich­ische Wissenscha­ftliche Gesellscha­ft für Produktion­stechnik (2017). pwww. tuaustria.ac.at

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Anna Steiger (links) ist Vizerektor­in für Personal und Gender an der TU Wien. Traude Kogoj ist Head of Diversity Management in der ÖBB-Holding AG.
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